Nach der tödlichen Sitzung distanzieren sich Psychoanalytiker von ihrem fragwürdigen Kollegen und warnen vor Scharlatanerie.

Berlin. Nach dem tragischen Tod zweier Patienten in einer Therapiesitzung in Berlin haben Fachleute vor Scharlatanen gewarnt. Die Abgabe von Drogen in der Psychotherapie sei gefährlich und illegal, erklärten Mediziner und Therapeuten am Montag. Einer der Patienten, denen ein Berliner Arzt am Wochenende zur Therapie Drogen verabreicht hatte, befand sich auch Montag in kritischem Zustand. Der Therapeut sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

Der 50-Jährige hat eingeräumt, welche Substanzen er seinen zwölf Patienten gegeben hat, wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Die Anklagebehörde will sie aber zunächst nicht öffentlich nennen, sondern ein toxikologisches Gutachten abwarten.

In der Praxis des Mannes im Stadtteil Hermsdorf hatten nach Erkenntnissen der Polizei am Sonnabend zwölf Menschen zwischen 26 und 59 Jahren an einer Therapiesitzung teilgenommen. Die dabei verabreichten Drogen sollen bei einigen Teilnehmern zunächst zu Übelkeit und Erbrechen geführt haben. Ein Teilnehmer sendete per SMS-Nachricht einen Notruf an die Feuerwehr.

Vor Ort versuchten die Notärzte sofort Wiederbelebungsmaßnahmen - allerdings vergeblich. Ein 59-Jähriger starb noch am Sonnabendnachmittag, ein 28-Jähriger überlebte die Nacht im Krankenhaus nicht. Ein 55-jähriger Mann fiel ins Koma.

Ein Richter erließ am Sonntagabend gegen den 50-Jährigen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge in zwei Fällen sowie gefährliche Körperverletzung in sechs Fällen vorgeworfen. Nach Einschätzung der Ermittler wollte der Mann aber niemanden töten.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Frank Schneider, wertete das Verhalten des Therapeuten unterdessen als kriminell. „Zu der Sitzung kamen Menschen, die dem Arzt vertrauten, und dieses Vertrauen ist missbraucht worden“, erklärte Schneider. Die Gabe von Drogen als Medikament sei absurd. „Das hat mit Therapie nichts zu tun“, sagte Schneider.

Die Berliner Ärztekammer riet Patienten ebenfalls zur Vorsicht. Alle zugelassenen psychotherapeutischen Verfahren zielten darauf, die Selbststeuerung der Patienten zu aktivieren und sie nicht durch Drogen auszuschalten, erklärte Präsident Günther Jonitz. „Die Verabreichung von Drogen wie LSD, Heroin oder Ecstacy im Rahmen der Psychotherapie ist klar rechtswidrig.“

Auch die Bundespsychotherapeutenkammer betonte, dass die sogenannte psycholytische Therapie in Deutschland nicht zugelassen sei. „Der Berliner Arzt muss sich für seine gesetzeswidrige Behandlung von Patienten nicht nur strafrechtlich verantworten“, erklärte Kammerpräsident Rainer Richter. „Er wird voraussichtlich auch seine Zulassung als Arzt verlieren.“

Der Vorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung, Dieter Best, verwahrte sich dagegen, dass „Scharlatanerie, wie sie hier betrieben wurde, mit Psychotherapie in Verbindung gebracht wird“. Die sogenannte psycholytische Therapie sei keine Psychotherapie. Sie sei wissenschaftlich nicht anerkannt und gefährlich, meinte Best. Die renommierte Berliner Psychoanalytikerin Eva Jaeggi sprach im Deutschlandradio ebenfalls von Scharlatanerie und warnte vor Schaden für das Ansehen regulärer Therapie.

Der nun verhaftete Arzt hatte mit angeblich tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, psycholytischer Psychotherapie, Körper- und Gestalttherapie sowie Hilfe bei spirituellen Krisen geworben.