Ein früheres Opfer des Dugard-Entführers Garrido spricht über ihr Martyrium. Die Polizei prüft, ob Garrido auch in mehrere Morde verwickelt ist.

San Francisco. Die entführte Amerikanerin Jaycee Lee Dugard aus Kalifornien schweigt über ihr 18 Jahre währendes Martyrium. Doch jetzt hat sich ein früheres Opfer des Vergewaltigers Phillip Garrido zu Wort gemeldet. „Ich möchte schreien, aus der Tiefe meiner Seele“, sagt Katie Callaway Hall, die 1976 von Garrido vergewaltigt worden war. „Schreien, weil meine Ängste berechtigt waren - er hat wieder zugeschlagen.“ Sie könne sich gar nicht vorstellen, was Jaycee alles erleiden musste. „Er hatte mich acht Stunden in seiner Gewalt - sie hatte er 18 Jahre“, sagte Hall in der Larry-King-Talkshow beim TV-Sender CNN.

Zugleich gibt es möglicherweise eine neue Entwicklung in dem Fall: Die Polizei entdeckte auf dem Nachbargrundstück Garridos ein Knochenstück. Der mysteriöse Fund sollte am Dienstag untersucht werden. „Wir wissen nicht, ob es (das Knochenstück) von einem Menschen oder einem Tier stammt“, sagt Polizeisprecher Jimmy Lee. Die Untersuchungen könnten Wochen dauern, hieß es.

Die Polizei prüft unterdessen, ob der 58-jährige vorbestrafte Sexualstraftäter Garrido in weitere Entführungsfälle sowie in mehrere Morde verwickelt ist. Es gehe dabei um das Verschwinden zweier kleiner Mädchen in der Nähe von Garridos Haus in Antioch im Jahr 1988, kurz nachdem Garrido aus dem Gefängnis kam. Zugleich werde im Zusammenhang mit mehreren ungeklärten Prostituiertenmorden in den 90er Jahren ermittelt. Laut Polizei wurden die Leichen der Frauen in der Nähe eines früheren Arbeitsplatzes des vorbestraften Sexualstraftäters gefunden.

Auch der Vater traut seinem Sohn die Morde zu

Selbst Garridos Vater traut seinem Sohn zu, dass er diese Morde begangen hat. „Ich schätze, er könnte darin verwickelt sein, was mit den Prostituierten passierte“, sagte Manual Garrido. „Mein Sohn hat offensichtlich etwas sehr Krankes getan, und es ist richtig, sich all die anderen kranken und schlimmen Sachen anzuschauen, die in derselben Zeit passierten“, sagte er der britischen Zeitung „The Sun“. Allerdings glaubt Vater Garrido nicht, dass die Polizei bei ihrer Suche nach Leichen auf dem Nachbargrundstück seines Sohnes fündig wird: “Dafür ist er zu schlau. Wenn er eine Leiche loswerden müsste, würde er sie in einen Fluss werfen“, sagte der 88-Jährige.

1991, wenige Jahre nach seiner Freilassung, entführte Garrido in Nordkalifornien die damals 11-jährige Jaycee Lee Dugard. Er hielt sie 18 Jahre in einem Garten hinter seinem Haus in Antioch nahe San Francisco versteckt, wo er sie auch sexuell missbrauchte. So lautet die Anklage gegen den jetzt 58-Jährigen und seine Ehefrau Nancy. Die Eheleute waren in der vergangenen Woche festgenommen worden. Jaycee und ihre beiden 11 und 15 Jahre alten Töchter, die sie während ihrer Gefangenschaft zur Welt brachte, wurden mit ihrer Familie vereint. Sie sind an einem unbekannten Ort, wo sie von Ärzten und Psychologen betreut werden.

„Ich bezweifle, dass ich darüber hinwegkommen werde“

Ausführlich erzählte Katie Hall im Fernsehen, wie sie Garrido im November 1976 in die Hände gefallen war. Er hatte sie auf einem Parkplatz angesprochen, ob sie ihn ein Stück mitnehmen könne, weil sein Auto nicht anspringe. Nach einer kurzen Fahrt habe er sie brutal überwältigt, gefesselt und in einen Lagerschuppen verschleppt. Nur durch Zufall entdeckte ein Polizist das Versteck, befreite das Opfer und nahm den Peiniger fest. Er wurde zu 50 Jahren Haft verurteilt, kam aber nach 11 Jahren auf Bewährung frei.

„Ein Opfer zu sein ist etwas, das nur jemand verstehen kann, der selbst ein Opfer war“, sagte Hall. „Jahrelang bin ich wie ein Zombie herumgelaufen. Ich musste jedem erzählen, was mir passiert ist, so als ob ich erklären müsste, warum ich mich nicht normal verhalte“, erzählte sie. Nun, da Garrido gefasst ist, sei es, als ob ein Kapitel ihres Lebens zu Ende sei. Sie müsse sich nicht mehr jeden Tag fragen, ob ihr Peiniger noch nach ihr suche. Aber: „Ich bezweifle, dass ich jemals darüber hinwegkommen werde.“