Nach 18-jähriger Trennung lernt Jaycee Lee Dugard ihre Familie neu kennen. Ihre Schwester war zum Zeitpunkt der Entführung erst ein Jahr alt.

San Francisco. Jaycee Lee Dugard hat ihren beiden Töchtern während der langen Gefangenschaft in einem Gartenversteck Lesen und Schreiben beigebracht. „Sie hat wirklich hervorragende Arbeit geleistet“, sagte die Tante des Entführungsopfers, Tina Dugard, am Donnerstag in Los Angeles. Die 42 Jahre alte Schwester von Jaycees Mutter Terry Probyn hat die letzten Tage mit ihrer Nichte und deren beiden 11 und 15 Jahre alten Mädchen verbracht. Die Familie hält sich seit einer Woche an einem unbekannten Ort auf, wo sie auch von Ärzten und Psychologen betreut werden. Sie beschrieb die Kinder als „kluge, wortgewandte und neugierige Mädchen“.

Bei ihrem kurzen Auftritt vor Reportern sprach Tina Dugard von einer „freudigen Zeit“ für ihre Familie. Nach der 18-jährigen Trennung würden sie Erinnerungen austauschen und sich neu kennenlernen. „Jaycee erinnert sich noch an alles“, sagte die Tante über ihre 29-jährige Nichte, die im Alter von 11 Jahren nahe ihres Elternhauses entführt worden war. Die Eheleute Nancy und Phillip Garrido sind wegen Kidnappings, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung angeklagt. Während ihrer Gefangenschaft brachte Dugard zwei Mädchen zur Welt.

Ihrer Tante zufolge freut sich Jaycee besonders darüber, ihre eigene Schwester kennenzulernen. Sie war bei der Entführung des Mädchens gerade ein Jahr alt. Tina Dugard ging nicht weiter auf das jahrelange Martyrium ihrer Nichte in den Händen der Kidnapper ein.

In dem spektakulären Entführungsfall ist jetzt die Ehefrau des Sexualstraftäters Phillip Garrido ins Visier geraten. Während die 54 Jahre alte Nancy Garrido nach den Worten ihres Anwalts ein „Opfer“ ihres Mannes ist, sehen die Ermittler sie als Komplizin. Sie habe vollkommen unter der Kontrolle ihres 58 Jahre alten Mannes gestanden, sagte Anwalt Gilbert Maines. Seine Mandantin sei „verängstigt“ und „verloren“, sagte Maines dem TV-Sender ABC. Sie vermisse Dugards Töchter. Allerdings wollte der Verteidiger nicht sagen, ob er die Frau vor Gericht als unzurechnungsfähig darstellen wollte.

Dagegen zeichnet die Staatsanwaltschaft ein anderes Bild der Frau. So musste Eheman Phillip etwa zwei Jahre nach der Entführung des Mädchens für fünf Monate ins Gefängnis, weil er gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatte. In dieser Zeit hielt Nancy das damals 13-jährige Mädchen allein gefangen, glauben die Behörden. Außerdem haben sie keinen Zweifel daran, dass Nancy auch bei der Entführung selbst dabei war. „Sie war die Frau in dem Fahrzeug. Die Beschreibung trifft genau auf sie zu“, sagte Sheriff Fred Kollar.

Phillip Garrido war bereits in den 70er Jahren wegen „sexuell abweichenden Verhaltens“ als gefährlich eingestuft worden. Eine Gerichtspsychiaterin beschrieb ihn nach einer ersten Festnahme 1976 wegen Vergewaltigung und Kidnappings als tiefgestörten Mann, der in grausamen Gewalttaten sexuelle Befriedigung suchte. Nancy traf ihren späteren Ehemann in einem Gefängnis im US-Staat Kansas, in dem er von 1977 bis 1988 eine Haftstrafe als Sexualtäter verbüßte. Die Frau besuchte damals einen Mitgefangenen. (dpa)