Skandal im Jugendgefängnis im sächsischen Regis-Breitlingen: Ein Insasse soll von Mithäftlingen gefoltert worden sein.

München/Dresden. Im Jugendgefängnis Regis-Breitingen (Landkreis Leipzig) soll ein 18 Jahre alter Häftling von Mitgefangenen gefoltert und beinahe getötet worden sein. Das Justizministerium in Dresden bestätigte am Sonntag einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Focus“, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen die beiden mutmaßlichen Täter Anklage wegen versuchten Mordes erhoben hat. Einzelheiten nannten weder das Ministerium noch die Staatsanwaltschaft Leipzig. Nach deren Angaben wurde bereits im Mai 2009 Anklage bei der Jugendkammer des Schwurgerichtes erhoben.

Den zur Tatzeit 15 und 24 Jahre alten Häftlingen wird laut „Focus“ vorgeworfen, ihren Mitgefangenen im Mai 2008 brutal misshandelt und zum Selbstmord gedrängt zu haben. Der 18-Jährige habe versucht, sich in seiner Zelle zu erhängen, überlebte jedoch. Daraufhin sollen die Angeklagten geplant haben, den jungen Mann mit einem Gürtel zu erdrosseln. Dem Opfer sei es aber gelungen, sich aus der Schlinge zu befreien und Wächter zu alarmieren. Dem Vernehmen nach sollen die Angeklagten ihr Opfer im Duschraum unter anderem mit heißem Wasser übergossen und mit einem Besenstiel geschlagen haben.

Die stellvertretende Gefängnisdirektorin, Claudia Ramsdorf, wies in der „Leipziger Volkszeitung“ den Eindruck zurück, dass es unter den Strafgefangenen ein Klima der Angst gebe. „Derartige Vorfälle lassen sich aber nicht hundertprozentig vermeiden“, sagte sie. Einer der beiden Beschuldigten sei nach dem Vorfall in ein anderes Gefängnis verlegt worden. Wie aus Justizkreisen zu erfahren war, konnte Mitarbeitern des Justizvollzugsdienstes in Regis-Breitingen kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Deshalb sei es auch zu keinen Anklagen gekommen.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig will am Montag zu dem Fall Stellung nehmen. Auch das Justizministerium kündigte eine Erklärung an. Der Fall erinnert an den Foltermord im Gefängnis Siegburg (Nordrhein-Westfalen). Dort hatten im November 2006 drei Insassen einen 20 Jahre alten Mithäftling stundenlang gequält und ihn dann erhängt. Damit wollten sie einen Selbstmord des Opfers vortäuschen. Der Haupttäter wurde zu 15 Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die beiden anderen Täter erhielten 14 Jahre Haft beziehungsweise 10 Jahre Jugendstrafe.

Die Jugendhaftanstalt Regis-Breitingen ist Sachsens modernstes Gefängnis. Das Gebäude mit 376 Plätzen wurde am 5. Oktober 2007 eröffnet. Einen knappen Monat später nahm sich dort ein 21 Jahre alter Häftling das Leben. Einen weiteren Selbstmord gab es im März dieses Jahres. Der 21-Jährige war wegen Mordes verurteilt worden. Laut „LVZ“ sind dort gegenwärtig 330 junge Männer untergebracht, der große Teil der Häftlinge in modernen Wohneinheiten zu zwölf Personen. Die meisten der jungen Männer würden in Einzelzellen schlafen.

Die Vorfälle vom Mai 2008 hätten sich tagsüber ereignet. FDP und Grüne im Landtag forderten Aufklärung. „Der Vorgang ist gleich aus zwei Gründen ein handfester Skandal. Zum einen belegen die Selbstmorde und die nun bekanntgewordene Tat, dass hinter den hochmodernen Mauern der JVA erschreckende Zustände herrschen müssen. Zum anderen ist es mehr als verwunderlich, dass die Öffentlichkeit erst über ein Jahr nach der Tat von ihr erfährt“, sagte FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. „Der Vorfall zeigt, dass über die Bedingungen des Vollzugs eine neue Debatte nötig ist“, erklärte Grünen-Politikerin Elke Herrmann. Sie erinnerte daran, dass es nach Siegburg Empfehlungen zur Vorbeugung von Gewalt in Gefängnissen gab.