Mit einer nie da gewesenen Medienoffensive lässt sich der Box-Mittelgewichtler vor seiner Titelverteidigung vermarkten.

Köln/Hamburg. Die hektischen Tage vor dem großen Kampf lassen es nicht zu, dass Manfred Meier sich zurücklehnen und genießen kann, was er gerade erlebt. Dennoch ist der Stolz in seiner Stimme nicht zu überhören, wenn er sagt: „So wie Felix ist noch nie ein Boxer in Deutschland medial gepusht worden.“ Meier muss es wissen. Als langjähriger Unterhaltungschef der „Bild“ kennt er sich in der Welt des Glamours mindestens so gut aus wie im Sport, und trotzdem ist das, was er als PR-Manager für Felix Sturm an öffentlicher Aufmerksamkeit generiert hat, auch für ihn überraschend.

An diesem Sonnabend kehrt Sturm, WBA-Superchampion im Mittelgewicht, nach 14 Monaten erzwungener Abstinenz in den Ring zurück. In einem monatelangen Rechtsstreit hatte er sich von seinem Hamburger Promoter Universum getrennt, letztlich gegen Zahlung einer „Ablöse“ von knapp einer Million Euro. In Köln, wo er sich mit einem eigenen Gym in der Südstadt selbstständig gemacht hat, verteidigt der 31 Jahre alte Leverkusener seinen Titel gegen Giovanni Lorenzo (29, Dominikanische Republik), und wer das noch nicht mitbekommen hat in der Domstadt am Rhein, der muss blind und taub zugleich sein.

Die gesamte Stadt ist mit Plakaten zugeklebt, die Zeitungen und lokalen Radiosender berichten täglich, und damit auch bundesweit jeder potenzielle Zuschauer vom Comeback erfährt, hat Sturms neuer TV-Partner Sat.1 die Werbemaschine angeworfen. In einer zweiteiligen Dokumentation wurde der Mensch Felix Sturm beleuchtet, der sich in den einschlägigen Talkshows der Sendergruppe ProSieben-Sat.1, bei Stefan Raab und Oliver Pocher, präsentieren durfte. Zum Kampf selbst wird ein Heer an Prominenz erwartet, darunter die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Sturms Kumpel Lukas Podolski soll zu den Klängen von Linkin Park, die live aus Los Angeles zugeschaltet werden, den WM-Gürtel in den Ring tragen. Viel mehr geht nicht.

Viel weniger allerdings auch nicht, schließlich hat Felix Sturm keine zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, und weil Meier sich als Ziel gesetzt hat, seinen Schützling völlig neu im Markt zu positionieren, muss der Aufbau der Marke „Felix Sturm“ am Sonnabend reibungslos ablaufen. „Der Startschuss für den neuen Felix Sturm fällt am Sonnabend. Am Sonntag werden alle wissen, wer er wirklich ist“, sagt Philip Cordes, Managing Director der Vermarktungsagentur Ufa Sports, die für Sturm TV-Partner findet und Sponsoren akquiriert. Das klingt pathetisch und irgendwie auch überzogen für einen Sportler, der seit zehn Jahren im Geschäft ist, 2003 erstmals Weltmeister wurde und dessen Kämpfe seitdem regelmäßig im ZDF zu sehen waren. Dennoch hat Cordes Recht.

Sturm hat im vergangenen Jahr eine erstaunliche Wandlung vollzogen. Wo ihm früher schon drei Reporter zu viel waren, plaudert er heute relativ entspannt mit dem Zehnfachen an Medienvertretern. Früher ging er grußlos an ihm bekannten Menschen vorbei, heute sagt er neben „Hallo“ auch „Bitte“ und „Danke“. Er hat es geschafft, die als Selbstschutz zur Schau gestellte Arroganz, mit der er Unsicherheit und auch Kommunikations-Unlust überspielte, abzulegen. Kurz: Felix Sturm wirkt wie einer, der nach Jahren der Suche nach der eigenen Identität endlich angekommen ist. Die Selbstständigkeit nach der Ablösung von Universum hat ihm ebenso gut getan wie die Geburt seines ersten Kindes im November 2009.

„Felix ist erwachsen geworden. Es ist sehr eindrucksvoll zu sehen, mit welcher Klarheit und Konsequenz er jetzt seinen Weg geht“, sagt Cordes, der als Vermarktungspartner Sturms Starfaktor besonders schätzt. Werte wie Intelligenz, Eloquenz und Witz verbindet Ufa Sports mit dem Champion, ebenso eine völlige Skandal-Freiheit. Die Resonanz aus der Werbewirtschaft sei entsprechend positiv.

Auch bei Sat.1, das sich zunächst nur für einen Kampf vertraglich an Sturm band, ist man positiv überrascht. „Felix passt sehr gut zu uns, weil er das verkörpert, was wir auch sein wollen: jung, frisch, sympathisch“, sagt Sportchef Sven Froberg. 10.000 Zuschauer werden in der Lanxess-Arena erwartet, auf sieben Millionen Fans vor den TV-Geräten und einen Marktanteil jenseits der 20 Prozent hoffen die Macher. „Wir wollen den Zuschauern den ganzen Menschen zeigen, deshalb haben wir im Vorfeld eine 2-Teilige Dokumentation über Felix und seinen Weg zurück in den Ring gemacht. “, sagt Froberg. Allerdings solle während der um 22.15 Uhr beginnenden Liveübertragung der Sport im Vordergrund stehen. „Anders als bei RTL mit den Klitschkos steht nicht die Show im Mittelpunkt, sondern ein ehrlicher und guter Kampf“, sagt Froberg.

Sturm findet das gut. „Ich weiß mittlerweile, dass es dazugehört, sich Zeit für die Fans zu nehmen und auch für TV-Spots oder Werbepartner den passenden Star zu verkörpern. Mir fällt das heutzutage auch leichter als früher. Aber am Ende interessiert die Fans doch vor allem das, was ich im Ring darstelle. Ich möchte als ein Boxer wahrgenommen werden, der Schlachten liefert. Und als ein ehrlicher Mensch, der so ist, wie er ist“, sagt er. Die beste Marke ist nichts wert, wenn sie nicht auch für Erfolg steht. Und dafür muss Felix Sturm allein sorgen.