118 Sparringsrunden zur Vorbereitung. Trainer Sdunek: Vitali ist ohne die kleinste Blessur durchgekommen. Er ist ein Phänomen.

Hamburg. Vier Wochen lang schuftete Fritz Sdunek, 62, mit Schwergewichts-Boxweltmeister Vitali Klitschko im Nobelhotel Stanglwirt. Der 38 Jahre alte Ukrainer musste für die Verteidigung seines WBC-WM-Titels am Sonnabend (22.15 Uhr, RTL live) in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen gegen den Polen Albert Sosnowski, 31, fit gemacht werden. Dass er am Pfingstsonntag die Bergluft von Tirol gegen die Bergwerksromantik des Ruhrgebiets eintauschen musste, hat der Laune des Erfolgstrainers nicht geschadet.

Abendblatt: Herr Sdunek, Sie sind bekannt dafür, nach jeder Vorbereitung zu sagen, dass Vitali in der Form seines Lebens ist.

Fritz Sdunek: Dann will ich Sie nicht enttäuschen und das wieder behaupten. Er hat sich athletisch noch einmal verbessert, hat im Schwimmen wieder einen neuen Rekord aufgestellt. Wir sind 118 Sparringsrunden gegangen, 98 scharfe, 20 nur zur Verteidigung. Vitali ist ohne die kleinste Blessur durchgekommen. Er ist ein Phänomen.

Ist es Klitschkos Vorteil, dass er schon einmal seine Karriere beendet hatte und sich jetzt auf jeden Kampf freut, weil er eine Zugabe ist?

Das mag sein. Fakt ist, dass er in jeden Kampf hineingeht, als wäre es sein letzter, was in seinem Alter ja auch durchaus sein kann. Aber er brennt, er genießt das Training als Abwechslung zu seinem stressigen Politiker-Alltag sehr, und das wichtigste ist: Er hat unglaublich viel Spaß. Dabei hat er aber von seiner Akribie nichts verloren. Im Gegenteil, er ist noch verbissener geworden. Früher musste ich ihn warnen, den Gegner nicht zu unterschätzen. Heute warnt er mich davor.

Sie haben sich beide sehr respektvoll über Sosnowski geäußert. Er ist zwar Europameister, aber dennoch kaum bekannt. Ist es das übliche Starkreden des Gegners, was Sie betreiben?

Überhaupt nicht. Ich weiß ja, dass viele denken, wir hätten ein leichtes Opfer verpflichtet. Aber wer das denkt, der wird sich am Sonnabend arg getäuscht sehen. Sosnowski ist sehr gut austrainiert, und er kommt mit viel Mut und dem absoluten Willen, Vitali zu schlagen. Deshalb müssen wir unglaublich aufpassen.

Was kann Sosnowski, womit er Klitschko gefährlich werden könnte?

Er ist ein schneller, aggressiver Boxer, der versuchen wird, mit seinem linken Haken überfallartig in Vitali hineinzuspringen. Er ist von Aggressivität und Schlaghärte vergleichbar mit Chris Arreola, nur ist er dazu auch noch schnell. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir uns auf eine Schlacht einstellen dürfen.

Mit welchem Ausgang?

Ich bin mir schon sicher, dass der Sieger Vitali Klitschko heißen wird. Ich rechne auch damit, dass sich seine stärkere Physis in den Schlussrunden als gewinnbringend erweisen wird. Dann ist sogar ein vorzeitiger Sieg möglich.

Was kommt danach? Es wird schon von einem Duell mit dem Russen-Riesen Nikolai Valuev geredet.

Wir denken grundsätzlich nur an die anstehende Aufgabe. Trotzdem ist es klar, dass Valuev ein reizvoller Gegner wäre. Dieser Kampf würde in Deutschland, Russland und der Ukraine Top-Quoten haben. Aber Valuev hat mehrere Optionen, und die Klitschkos wollen vor allem den vierten WM-Titel, den David Haye hält. Das hat oberste Priorität.

Mit einem Kampf gegen Valuev oder Haye würde man sicherlich die Schalke-Arena füllen. Für den Kampf am Sonnabend sind noch keine 40.000 Tickets verkauft.

Das ist kein Problem für Vitali, er freut sich trotzdem sehr auf die Atmosphäre. Er wollte immer in einem Fußballstadion boxen. Sein Bruder hat ihm das voraus, jetzt kann er auch die Erfahrung machen.

Für Sie ist Klitschko der letzte verbliebene Schützling, nachdem Sie Ihre Arbeit beim Hamburger Universum-Stall zum Jahresende eingestellt hatten. Was machen Sie mit Ihrer neuen Freizeit?

Ach, ich hänge schon noch mit dem Herzen an meinen früheren Sportlern. Ich telefoniere oft mit ihnen, schreibe noch Trainingspläne. Ich hoffe sehr, dass es bei Universum auch ohne das ZDF weitergeht, damit sie eine Zukunft haben. Aber ich genieße auch, dass ich mich zurückgenommen habe. Ich habe nicht mehr so viel Stress, und das tut mir gut. Und ich hoffe, Vitali auch.