Sportlich war der Olympia-Auftritt der Hamburger Curler in Sotschi eine große Enttäuschung. Als Konsequenz fordert John Jahr mehr Geld für die Sportförderung und einen Olympiastützpunkt für den Norden.

Olympia hätte so schön sein können, wenn nur dieser Sport nicht wäre. Einen „Traum“ hatte sich das Hamburger Curlingteam erfüllt mit der Teilnahme an den Spielen in Sotschi.

Einen Traum, den sie sich hart erarbeitet hatten mit über einjährigem professionellem Einsatz zulasten von Beruf und Familie. „Amateure mit der Einstellung von Leistungssportlern“, wie der Sportdirektor des Deutschen Curling-Verbandes (DCV), Rainer Nittel, sagt.

Nun waren sie also als deutsche Nationalmannschaft in Sotschi, neun Partien gegen die Besten der Welt – und heraus kam nur ein Sieg. „Es war sportlich nicht unsere Woche“, sagt Skip John Jahr, „davon abgesehen war es ein einmaliges Erlebnis.“

Der 48 Jahre alte Immobilienunternehmer aus Harvestehude ist bereits am Mittwoch aus Sotschi abgereist, Felix Schulze folgte am Donnerstag.

„Ich habe ja Familie, die habe ich lange genug nicht gesehen“, erklärt Jahr seine Rückreise. Christopher Bartsch, Sven Goldemann und Peter Rickmers blieben dagegen noch bis zur Schlussfeier und fliegen mit der gesamten deutschen Olympiamannschaft an diesem Montag nach München zurück.

Es lief nicht alles nach Wunsch

„Wir wollten noch ein paar andere Sportarten anschauen, Eishockey, Eisschnelllauf zum Beispiel. Es war allerdings sehr schwierig, Karten aus dem Athletenkontingent zu organisieren“, sagt Bartsch, „die sind sehr gefragt und einige haben wir gar nicht mehr bekommen.“

Es lief eben nicht alles nach Wunsch in den Tagen von Sotschi. Dass am Freitag im Finale um die Goldmedaille mit Großbritannien, das von den Schotten vertreten wurde, und Kanada ausgerechnet die beiden Teams standen, gegen die sie zu Beginn des Turniers die besten Leistungen geboten hatten, war wie eine bittere Ironie.

Gegen die Schotten hatten sie bei der 5:6-Niederlage einen „Matchball“ zum Sieg, aber Felix Schulze verfehlte wegen eines technischen Fehlers den gegnerischen Stein. „Möglicherweise wäre das Turnier ganz anders für uns gelaufen, wenn wir dieses Spiel gewonnen hätten“, sagt Skip Jahr, „das hätte uns Rückenwind geben können.“

„Wir haben unter unseren Möglichkeiten gespielt“

„Hätte, hätte, Fahrradkette“ wie man im Sport so sagt. „Wir haben hier alle unter unseren Möglichkeiten gespielt“, räumt Jahr ein. „Es ist ja nicht so, dass wir mit Pauken und Trompeten eingegangen wären. Aber wenn ein, zwei Steine nicht kommen, reicht es auf dem Niveau nicht.“

So blieb nur ein Sieg gegen die Schweiz. Die Leistung aus dem Olympia-Qualifikationsturnier Ende Dezember in Füssen konnten sie nicht wiederholen. Nicht, dass die Hamburger erwartet hätten, ins Halbfinale einzuziehen, aber ein bisschen mehr hätte es schon sein dürfen.

„Ich schäme mich dafür, dass wir Letzter geworden sind, das wollten wir auf keinen Fall“, sagte Bartsch in seiner ersten Enttäuschung: „So kann ich Olympia kaum in positiver Erinnerung behalten.“

Olympia-Erlebnis dennoch „absolut positiv“

Der Frust aber wird vergehen und das einmalige Erlebnis Olympia wird bleiben. Auf jeden Fall bei John Jahr: „Es war toll, absolut positiv.“ Das olympische Dorf, die Unterkunft, die Mensa, das Essen, die Bauten – „Es war alles viel besser, als ich mir das vorher vorgestellt hatte.“

Athleten aus zahlreiche Nationen, die bunten Farben der Teambekleidungen, das babylonische Sprachgewirr auf der Plaza, exotisches Essen zum Frühstück, Nationalfahnen, die aus den verschiedenen Wohnblocks im Dorf hingen (außer dem der US-Amerikaner, wegen der Sicherheit), all das, was man sonst nur aus dem Fernsehen von der Berichterstattung von Olympia kannte, es traf alles zu:

„Es war ein bisschen wie das Klischee, das man von den Spielen hat“, sagt Jahr.

Schon die Eröffnungsfeier, als sich die 150 Mitglieder der deutschen Mannschaft vor dem Einmarsch in den Katakomben des Olympiastadions versammelt hatten, „Maria Riesch mit der Fahne“, und plötzlich fängt einer an zu klatschen und zu tanzen, und dann machen sie das alle mit, unvergesslich, olympischer Geist, „es war eine tolle Atmosphäre“, schwärmt der Oldie.

Enthusiastische Zuschauer

Besonders hat ihn die Begeisterung der russischen Olympiabesucher überrascht und gefreut: „Unglaublich, wie die ihre Teams angefeuert haben.“

Es war fast überall voll, beim Curling wurde der gegnerische Spieler schon mal in seiner Konzentrationsphase vor dem Setzen des Steines lautstark gestört, wie beim Eishockey oder Fußball. Das gehört sich beim Curling eigentlich nicht, aber was heißt schon Etikette?

„Die Stimmung und Lautstärke in der Halle war unfassbar, man konnte teilweise sein eigenes Wort nicht verstehen“, erzählt Christoph Bartsch. Für Jahr waren die Sportwettkämpfe und Olympia so etwas wie „Balsam für die traurige russische Seele“, man merkte den „Stolz und die Begeisterung“.

Die Kritik an den Ausgaben für die Spiele, an dem Aus-dem-Boden-Stampfen der Wettkampfstätten, an den undemokratischen Verhältnissen in Putins Reich, der Korruption, das alles ist den Hamburgern natürlich auch bewusst.

„Es ist keine Demokratie, natürlich nicht“, sagt Jahr, der aber absolut nachvollziehen kann, warum Putin Olympia nach Sotschi geholt hat. „Dieses Riesenland hat praktisch kein Urlaubs- und Skigebiet. Das jetzt zu entwickeln, eine Infrastruktur aufzubauen, ist total vernünftig“, erklärt eher der Geschäftsmann John Jahr denn der Sportler. „Ich muss sagen, dass die Gebäude, wenn auch etwas Zuckerbäckerstil, durchaus gelungen sind.“

Jahr fordert mehr Geld für Sportförderung

Abseits der olympischen Anlagen allerdings ist die weniger schöne Realität Alltag. „Die Spuren des Sozialismus sind überall zu sehen, städtebaulich ist es grauenhaft.“

Ganz am Ende des Turniers hatte er dann, befeuert durch seine Begeisterung über Olympia, noch eine Debatte über die finanzielle Förderung des deutschen Sports angestoßen, die Innenminister Thomas de Maizière sinngemäß fauchen ließ, dieser Millionär aus Hamburg hätte es gerade nötig …

Ein Maß an Aufregung, dass Jahr nicht erwartet hatte. Sind die Forderungen nach besserer finanzieller Ausstattung des deutschen Spitzensports doch inzwischen längst nicht mehr neu.

„Das Bundesinnenministerium gibt jährlich 130 Millionen Euro. Eine Industrienation wie unsere sollte mehr Geld zur Verfügung stellen, das ist wenig im Vergleich zu anderen Ausgaben“, sagt Jahr.

Der Blick in den aktuellen Medaillenspiegel am Ende der Spiele wird diese Diskussion wahrscheinlich noch einmal aufleben lassen.

Curling-Stützpunkt in Hamburg?

Für Jahr aber ist das dann Geschichte. Er wird seine aktive Karriere nach der Weltmeisterschaft in Kanada beenden. Er wird sich weiterhin um den Curling Club Hamburg kümmern, ihn fördern. Er wird mit dem Verband über die Möglichkeit reden, in der Stadt einen Stützpunkt zu errichten.

„Wir haben drei in Bayern, aber keinen im Norden. Wir sollten dem Sport mehr Breite verschaffen.“ Und er wird sich nach der WM wieder mehr Ehefrau Maike und den drei Kindern widmen, die ihren Vater ein Jahr nur sehr reduziert zur Verfügung hatten.

„Sie sind schließlich das Wichtigste in meinem Leben“, sagt John Jahr. „Ich habe das Erlebnis Olympische Spiele jetzt gehabt, und es war schön.“