Evi Sachenbacher-Stehle hat inzwischen gestanden, das IOC hat die Athletin disqualifiziert. Biathlon sei eine „versaute Sportart“, sagt Dopingexperte Werner Franke.

Sotschi. Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle ist bei den Winterspielen in Sotschi positiv auf ein verbotenes Mittel getestet worden. Das deutsche Team hatte zuvor ein von der Norm abweichendes Ergebnis der A-Probe bei einem deutschen Olympia-Teilnehmer bestätigt. Am Freitagnachmittag hat die B-Probe das positive Ergebnis der A-Probe bestätigt. Das gab Stefan Schwarzbach, Pressesprecher der Deutschen Skiverbandes (DSV) bekannt. Gefunden worden sei ein Stimulans, das „möglicherweise“ durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel in den Körper gelangt sei.

Die Biathletin hat ihren positiven Dopingtest inzwischen bestätigt. In einem Statement schrieb sie am Freitag „vom schlimmsten Albtraum, den man sich vorstellen kann“. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) disqualifizierte die Biathletin für den Massenstart und die Mixed-Staffel bei Olympia in Sotschi nachträglich. D Entsprechend soll auch die deutsche Mixed-Staffel aus den offiziellen Resultaten entfernt werden. Zudem bestätigte das IOC den Ausschluss Sachenbacher-Stehles von den Sotschi-Spielen. Die ehemalige Langläuferin war positiv auf ein Stimulanzmittel getestet worden.

Keine 24 Stunden nach dem Bekanntwerden des positiven Dopingtests von Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle ist die offizielle Facebook-Seite der 33-Jährigen nicht mehr im Internet abrufbar. Auf der virtuellen Pinnwand des Profils, auf der die zweimalige Langlauf-Olympiasiegerin noch am Freitagabend in einer Stellungnahme vorsätzliches Doping abgestritten hatte, hatten Besucher teils äußerst heftige Reaktionen hinterlassen. „Du bist eine Schande für alle deutschen Sportler“, hieß es dort unter anderem.

Sachenbacher-Stehle droht nun der Ausschluss aus der Sportförderung. „Doping und Bundeswehr passen nicht zueinander“, sagte Vize-Admiral Manfred Nielson, als Inspekteur der Streitkräftebasis zuständig für die Sportsoldaten der Bundeswehr, der Welt: „Wir haben da ganz klare Regeln: Wer überführt worden ist, scheidet aus der Spitzensportförderung aus.“

Die Biathletin war zuvor nicht für die Damen-Staffel an diesem Freitag nominiert worden. Die ehemalige Ski-Langläuferin war vor zwei Jahren zum Biathlon gewechselt. Im Massenstart-Wettbewerb von Sotschi lief sie als Vierte knapp an einer Medaille vorbei.

Die 33-Jährige aus Reit im Winkl war 2006 am Tag vor der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Turin wegen erhöhter Blutwerte mit einer fünftägigen Schutzsperre belegt worden und musste sich das Auftaktrennen der Ski-Langläuferinnen von außen anschauen. Sachenbacher-Stehle war für eine Reaktion vorerst nicht zu erreichen.

Die deutschen Biathleten haben geschockt auf die Nachricht reagiert. „Ich habe es gerade auf dem Handy gelesen. Und kann es gar nicht glauben“, sagte der ehemalige Sprint-Weltmeister Arnd Peiffer. Der für die abschließende Männer-Staffel am Sonnabend als Schlussläufer vorgesehene Simon Schempp sagte: „Ich habe es gerade mitgekriegt. Das ist ein extremer Schock. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“ Die deutschen Langläufer sollten sich dagegen nicht zu dem Thema äußern.

„Das ist ja ein Déjà-vu. In Turin 2006 – volle Pulle“

Dopingexperte Werner Franke hat die Meldung vom positiven Test bei Sachenbacher-Stehle nicht überrascht. „Das ist ja ein Déjà-vu. In Turin 2006 – volle Pulle“, sagte der Heidelberger Professor. Und: „Ich bin nur überrascht über die Dummheit, dass man sie noch so lange vor dem Wettkampf laufen lässt.“ Biathlon sei eine „versaute Sportart“, meinte Franke. In den vergangenen Jahren seien hier Athleten wegen Dopings „ja serienweise aus dem Wege geräumt worden“.

Die Hauptschuldigen für Doping sind nach Meinung des 74 Jahre alten Zell- und Molekularbiologen die Sportmediziner. „Das ist Beihilfe zur Körperverletzung. Die Ärzte müssen bestraft werden!“, forderte Franke und gab zu bedenken: Auch Sachenbacher-Stehle werde schließlich von einem Sportarzt betreut. „Das muss man in Deutschland endlich mal begreifen, dass die wirklichen Täter die zuständigen Sportmediziner und die beratenden Sportwissenschaftler sind“, betonte der Wissenschaftler mit Blick auf das überfällige Anti-Doping-Gesetz.

Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann beeinträchtigt der positive Doping-Test nicht das sportliche Fazit des Teams. „Es ändert jetzt aus meinem Verständnis nichts an der Olympia-Bilanz, weil in dem Fall eine Athletin betroffen ist, die keine Medaille gewonnen hatte“, sagte Hörmann. „Es ist zuallererst ein singuläres Problem. Dass wir uns dieses Thema gerne erspart hätten, alle gemeinsam, ist vollkommen klar. Ohne wäre es um Längen schöner gewesen.“

„Sie hat verunreinigte Energieriegel genommen“

Sachenbacher-Stehles Bruder Josef glaubt indes nicht an ein bewusstes Doping-Vergehen seiner Schwester. „Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Sie verachtet sowas und würde niemals dopen“, sagte Josef Sachenbacher der Bild-Zeitung. „Das wird wieder genau so wie in Turin sein. Damals war ihr Hämoglobin-Wert erhöht. Das passiert ihr immer in der Höhe. Und so wird das auch dieses Mal sein. Die B-Probe wird das bestätigen“, sagte Josef Sachenbacher.

Seine ganz eigene Theorie hat Russlands Biathlon-Trainer Wolfgang Pichler: „Wenn es stimmt, was ich gehört habe, hat sie verunreinigte Energieriegel genommen“, sagte Pichler. Pichler zufolge müsse man nun die Verantwortlichen fragen: „Wie kann man den Sportlern so etwas geben?“ Der in Ruhpolding lebende Pichler stellte am Donnerstag vor dem Start der Frauen-Staffel fest: „Ich bin natürlich auch schockiert wie alle Deutschen.“

Magdalena Neuner: „Glaube an Evis Unschuld“

Biathlon-Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner ist indes von Evi Sachenbacher-Stehles Unschuld überzeugt. „Ich persönlich glaube an Evis Unschuld“, sagte die zweimalige Olympiasiegerin. Neuner teilte weiter mit: „Was soll man dazu sagen? Wenn es tatsächlich so war, dass sie nicht wissentlich gedopt hat, dann ist das natürlich eine Riesentragödie für Evi.“ Die ganze Sache werfe „ein echt schlechtes Licht auf den deutschen Biathlonsport, was natürlich vor allem im Moment eine Riesenkatastrophe ist.“

Neuner übte allerdings auch leise Kritik. „Ich denke mir dabei nur, dass so eine erfahrene Sportlerin wie Evi eigentlich wissen müsste, was sie zu sich nehmen darf und was nicht.“ Es sei jedoch „wahnsinnig schwer“, das aus der Ferne zu beurteilen, meinte die Rekordweltmeisterin. Nach ihrem Sotschi-Besuch ist sie mittlerweile wieder nach Hause zurückgekehrt. „Ich denke, man muss jetzt mal abwarten, wie sich die Dinge entwickeln und was bei weiteren Untersuchungen heraus kommt.“