Im olympischen Abfahrts-Rennen setzte sich der US-Star eindrucksvoll durch. Deutschlands Hoffnung Maria Riesch ging als Achte leer aus.

Whistler. An einem Tag, an dem Lindsey Vonn alles gelang, wollte eine Sache einfach nicht klappen: „Ich kann nicht aufhören zu heulen.“ Bereits im erste Rennen der Olympischen Spiele in Whistler, dem Abfahrtslauf gestern, gelang der Amerikanerin, worauf sie „ihr Leben lang hingearbeitet“ hatte: Sie holte Gold. „Das bedeutet alles für mich. Ich habe davon geträumt, wie sich das anfühlen würde. Aber es ist viel besser im echten Leben!“

Einmal mehr deklassierte Vonn die Konkurrenz in einer derart dominanten Manier, dass die zum Drama hochstilisierten Meldungen über ihre schier unerträglich peinvolle, hemmende Schienbeinprellung im Nachhinein umso mehr wirken wie ein großer Bluff. Die Gewinnerin des Abfahrts-Weltcups und zweifache Weltmeisterin siegte mit 0,56 Sekunden vor ihrer Landsfrau Julia Mancuso, die die wenigsten auf der Rechnung hatten, und die es Vonn nachtat: „Ich bin ein Mädchen, also weine ich.“ Dritte wurde die Österreicherin Elisabeth Görgl mit gleich 1,46 Sekunden Rückstand auf Vonn, die einmal mehr das Staunen der Konkurrenz erntete.

„Sie hatte auch viele Probleme, es war kein perfekter Lauf. Es ist einfach nicht möglich, auf diesem Kurs einen perfekten Lauf hinzukriegen“, urteilte etwa die Schweizerin Nadja Kamer. Die drittplatzierte Görgl hingegen meinte: „Es war ein perfekter Lauf, aber ich weiß nicht, Sie müssen sie fragen. Sie weiß es. Nur sie.“

Und Maria Riesch? Die ambitionierte Deutsche erlebte alles andere als einen perfekten Tag, sie endete auf dem achten Rang, 2,07 Sekunden hinter ihrer Freundin Vonn. „Ich muss ehrlich sein: Ich hab’s selber verbockt!“, schalt sich die enttäuschte Mitfavoritin. Nach ihrem Sieg im letzten Abfahrtsweltcuprennen in St. Moritz hatte Riesch sich insgeheim zumindest einen Medaillengewinn ausgemalt. „Ich bin ein bisschen sauer.“

Gleichzeitig mühte sich Riesch nach ihrem unruhigen Ritt auf der Piste namens „Franz’s Downhill“ betont um Gelassenheit. „Es waren keine ganz großen Fehler drin in der Fahrt, es waren einige Kleinigkeiten, die nicht gepasst haben. Wir hatten eine andere Situation als im Training, die Piste war etwas ruhiger, aber immer noch schlagig genug“, sagte Riesch.

Offenkundig war sie ihr Rennen im Gegensatz zu den beiden Amerikanerinnen auf dem Podest deutlich weniger aggressiv angegangen. Wenigstens widerfuhr der deutschen Mitfavoritin aber nicht, was etwa die Schweizerin Dominique Gisin oder die hochgewettete Schwedin Anja Pärson miterleben mussten: Sie stürzten als zwei von mehreren Rennläuferinnen schwer.

„Aaah“ und „Ohhh“ raunten die schätzungsweise 8000 Zuschauer im Zielbereich, als Gisin zu Fall kam. „Mein Kopf tut mir weh und mir ist ein bisschen schwindelig. Ich hatte einen wirklich weiten Schlusssprung und habe begonnen, mich in der Luft zu drehen. Ich habe dann nur noch versucht zu fallen, ohne mich selbst zu verletzen“, sagte Gisin.

Ähnlich erging es Ex-Weltmeisterin Pärson nach einem mächtigen Zielsprung über die letzte Kuppe. In der Luft verlor sie die Kontrolle, fiel nach der Landung auf den Rücken und rutschte hilflos den steilen Hang hinunter. „Sie ist okay“, sagte ihr Trainer Ulf Emilsson. „Wenn man den Crash sieht, ist es erstaunlich, dass sie überhaupt laufen kann.“ Die Rumänin Edith Miklos hatte dieses Glück nicht – sie musste gar per Helikopter von der Strecke geflogen werden, ihr Arbeitstag endete im Krankenhaus. „Es war ein Kampf von oben bis unten“, sagte auch Siegerin Vonn. „Die Sprünge waren höher und weiter als erwartet.“

Pärsons Crash hatte sich just vor Maria Rieschs Start ereignet. Ohnehin war das Rennen zuvor schon einige Male gestoppt gewesen, was die Nerven der Bayerin zusätzlich belastete. „Es war keine ganze Situation mit den ganzen Unterbrechungen“, sagte Riesch. Während sie sich über Platz acht ärgert, kann Gina Stechert sich über ihren zehnten Platz freuen. Die zweite Deutsche im Rennen hatte schließlich erst nachträglich die geforderten Normen für die Teilnahme an den Olympischen Spielen erfüllt.

Maria Rieschs nächste Chance auf eine von fünf Medaillen wartet heute in der Super-Kombination. Sie ist definitiv größer als gestern – auch wenn Lindsey Vonn ebenfalls am Start sein wird. Riesch weiß: „Ich darf mich nicht verunsichern lassen. Heute hat es nicht sollen sein – morgen ist ein neues Rennen.“ Vielleicht sollte die Mitfavoritin es so handhaben, wie Thomas Vonn es seiner Frau Lindsey vor der Abfahrt empfahl. Er sagte ihr: „Das hier ist auch nur ein Rennen. Es gibt eine Startlinie und eine Ziellinie – und das ist alles.“

Vonn beherzigte den Rat. Über ihre weiteren Olympiapläne sagte sie: „Ist mir egal. Ich kam hierher, um Gold zu holen. Jetzt habe ich, was ich wollte, und werde einfach weiter kämpfen jeden Tag. Es ist auf jeden Fall eine Riesenerleichterung dass ich das hier letztlich geschafft habe.“