In der Abfahrt am Vortag lief es für Maria Riesch nicht rund. In der Super-Kombination dagegen umso besser: Sie wurde Erste und gewann Gold.

Whistler. Am Ende ihres aufreibenden Arbeitstages sah Maria Riesch aus wie eine Ultramarathonläuferin, die sich so eben noch ins Ziel geschleppt hatte: Glücklich, aber völlig ausgepumpt. Kraftlos reckte die Partenkirchenerin ihre Skier über den Kopf, als der größte Erfolg ihrer Karriere als alpine Rennläuferin endlich unter Dach und Fach war. Riesch ist seit gestern Olympiasiegerin in der Super-Kombination, und es besteht kein Zweifel daran, dass sie sich diesen Triumph redlich verdient hat.

Nach dem enttäuschenden achten Platz in der Abfahrt tags zuvor bewahrheitete sich, was ihre Teamkollegin Gina Stechert (später ausgeschieden) schon zur Halbzeit des Rennens prophezeit hatte: „Die Maria war wieder ganz gut drauf. Man kennt das ja von ihr, dass sie oft am nächsten Tag wieder zuschlägt. Ich glaub’, das wird sie heut’ auch wieder machen.“

0,94 Sekunden hatte Slalom-Weltmeisterin Riesch am Ende Vorsprung auf die erneut zweitplatzierte Amerikanerin Julia Mancuso, weitere 0,11 Sekunden hinter ihr folgte Anja Pärson aus Schweden.

„Gold – das ist der Hammer, eine starke Wiederauferstehung. Ich bin jetzt einfach nur noch glücklich“, juchzte Riesch. Sie wusste, „dass ich gut drauf bin, kein Vergleich zu gestern. Ich hatte eine innere Ruhe, weil ich wusste, dass mir der Lauf liegt, und dass ich eine Medaille gewinnen würde, wenn ich einfach nur fahre, was ich kann.“

Einfach nur fahren, was man kann – wenn es doch immer so einfach wäre. Lindsey Vonn etwa, die nach dem Abfahrtslauf noch mit 0,33 Sekunden vor Riesch geführt hatte, ist auch eine ausgewiesen gute Slalomfahrerin. Doch gestern versagten ihr die Nerven. Sie schied im Slalom aus.

Rieschs Fähigkeit, Enttäuschungen wie jene am Tag zuvor Rückschlägen in Motivation umzuwandeln, konnte nach dem ersten Olympiasieg eines deutschen alpinen Rennläufers seit 1998 gar nicht genug gelobt werden. „Das ist eine großartige und positive Eigenschaft von Maria, dass sie Rückschläge so schnell wegstecken und umschalten kann“, urteilte der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier. Nicht nur er meint: „Wenn du Olympiasieger bist und Weltmeister, dann bist du in der Champions League!“

Maria Rieschs Ziel war immer eine Olympiamedaille gewesen. 2006 jedoch fehlte sie verletzt bei den Spielen in Turin, vier Jahre zuvor war die heute 25-Jährige noch zu jung. Die Einzeldisziplinen betrachtet, konnte Riesch nun getrost als Favoritin betrachtet werden. Im Slalom-Weltcup belegt sie derzeit wie schon zum Abschluss des Vorjahres Rang eins, im Abfahrts-Weltcup Platz zwei hinter Vonn.

Hatte etwa eine Standpauke von Mathias Berthold den Star im Team wachgerüttelt? Eine „indiskutable Leistung“ soll er der achtplatzierten Mitfavoritin bescheinigt haben, und dass er von ihr ob ihrer Einstellung „enttäuscht“ sei. „Der Mathias ist immer mal ein bissl ranzig, er lebt es anders aus“, grinste Maier, „jeder lebt’s halt mit. Natürlich ist es emotional. Du fährst zu Olympia mit hohen Erwartungen, und dann geht’s im ersten Rennen gleich daneben.“

Extremsituationen ist Riesch gewöhnt. Zu den Weltmeisterschaften vor genau einem Jahr in Val d’Isère etwa reiste sie als Favoritin an, fuhr Ihren Ansprüchen aber hinterher, stürzte obendrein im Training – und gewann dann im letzten Wettbewerb Gold. „Ich bin froh, dass ich eine solche Situation schon einmal erleben musste – oder durfte“, sagt Riesch. „Der Druck war groß, aber ich habe es am Ende im Slalom doch noch gut hin bekommen. Im Prinzip ist Olympia ja vergleichbar.

Eine Sensation an diesem sonnig-kalten Vormittag in Whistler war aber auch, dass Anja Pärson (29) nicht nur tatsächlich an den Start ging, sondern auch noch Bronze holte. Schließlich steht zu vermuten, dass die Schwedin ihre Nationalfarben Blau-Gelb nach dem Abfahrtsrennen nicht nur auf dem Rennanzug, sondern auch am eigenen Leib trug. Am Mittwoch war ihr halsbrecherischer Schlusssprung über etwa 60 Meter in einem Sturz auf den steilen Zielhang gemündet. „Wenn man den Crash sieht, ist es erstaunlich, dass sie überhaupt laufen kann“, sagte der Trainer der früheren Weltmeisterin, Ulf Emilsson.

Weil am Mittwoch im Abfahrtslauf noch fünf andere Frauen zu Fall kamen – die Rumänin Edith Miklos vollführte bei hohem Tempo einen Purzelbaum, erlitt eine Knieverletzung und wurde anschließend mit dem Helikopter zu Tal geflogen – reagierten die Rennchefs: Sie ließen die letzte Kuppe der Abfahrt abtragen, so dass die Sprünge gestern nicht mehr so weit gingen. Dass die Abfahrt in der Super-Kombination um 30 Sekunden kürzer ist als tags zuvor, führte ebenfalls dazu, dass sich Unfälle gestern nicht ereigneten.

Alpindirektor Maier meint: „Früher würde oft über zu einfache Kurse geklagt. Jetzt ist es anspruchsvoll, und so soll es sein. Da muss man sich nicht beschweren.“