Hamburgs Handballer gewinnen Finale des Qualifikationsturniers gegen Gastgeber Saint-Raphaël nach Viertorerückstand noch in der Verlängerung.

Saint-Raphaël. Co-Trainer Jens Häusler rannte auf seine Torhüter Enid Tahirovic und Dan Beutler zu, schloss sie in seine kräftigen Arme. Vor ihnen lag am Kreis Matthias Flohr auf dem Boden, hielt sich die Hände vor die Augen, weil er nicht fassen konnte, was gerade passiert war. In einem dramatischen Finale des Champions-League-Qualifikationsturniers im südfranzösischen Saint-Raphaël hatten sich die HSV-Handballer trotz eines 22:26-Rückstands (55. Minute) in der Verlängerung mit 32:31 (13:15, 27:27) gegen die Gastgeber durchgesetzt. Das Halbfinale gegen Plock hatten sie am Sonnabend 28:26 gewonnen.

"Das war ein Sieg unserer Moral. Wir haben uns nie aufgegeben, obwohl vieles im Spiel gegen uns gelaufen ist", zollte HSV-Trainer Martin Schwalb, 49, seinen Spielern Anerkennung, "ich bin stolz auf ihre Leistung." Die Freude über den Erfolg wurde nur von einer möglichen neuen Schulterverletzung von Pascal Hens getrübt. Der HSV-Kapitän verließ mit schmerzverzerrtem Gesicht nach der Schlusssirene in Begleitung von Physiotherapeutin Jenny Köster das Feld.

In Gruppe A der Champions League trifft der HSV nun auf den deutschen Vizemeister Flensburg-Handewitt, den französischen Meister Montpellier, den russischen Champion Tschechow, auf den spanischen Spitzenklub León und Partizan Belgrad. Das erste Spiel führt die Hamburger am 29. September nach León, am 4. Oktober folgt in der Sporthalle Hamburg gegen Tschechow das erste Heimspiel. "Erst mal steht aber die Bundesliga auf dem Programm", mahnte Schwalb. Am Mittwoch kommt Flensburg in die O2 World.

2:5 lag der HSV gegen Saint-Raphaël nach acht Minuten zurück, obwohl Tahirovic wiederholt seine Klasse bei Würfen aus nah und fern zeigte. Im Angriff dagegen fehlte den Hamburgern zu oft die Durchschlagskraft. Mit 47 Prozent blieb ihre Trefferquote bis zum Ende unter dem Durchschnitt. Das mag bei Temperaturen um 28 Grad Celsius auch an der hohen Luftfeuchtigkeit im Palais des Sports JF Krakowski gelegen haben. Der Ball hätte manchmal wie Seife in der Hand gelegen, erzählten die Spieler hinterher. Auch der mehrmalige Austausch des Spielgeräts brachte keine grundlegende Besserung. "Das Problem hatten aber beide Mannschaften", räumte Schwalb ein.

Es war dann auch mehr die mangelnde Nutzung der Großchancen, etwa als der Schwede Fredrik Petersen bei einem Tempogegenstoß frei aus sechs Metern neben das Tor warf (23.), die den HSV immer wieder in Rückstand geraten ließ. Statt Petersens 10:9 zu bejubeln, mussten die 20 mitgereisten HSV-Fans mitansehen, wie Saint-Raphaël auf 12:9 davonzog.

Auch in der zweiten Hälfte boten sich dem HSV genug Gelegenheiten, das Ergebnis früh freundlicher zu gestalten. Marcin Lijewski und Spielmacher Michael Kraus hätten kurz nach dem Seitenwechsel zum 15:15 ausgleichen können. Kraus zielte dabei vom Kreis genau auf den Körper des überragenden Torhüters Slavisa Djukanovic. Die Strafe folgte prompt. Ein paar Augenblicke später führte Saint-Raphaël beim 18:15 wieder mit drei Toren. "Es war erschreckend, wie viele gute Möglichkeiten wir ausgelassen haben", meinte Co-Trainer Häusler.

Bei allen Unzulänglichkeiten war dem HSV jedoch eins nicht abzusprechen - Kampfgeist. Die Mannschaft wollte, sie fightete, sie stemmte sich gegen die drohende Niederlage, und sie wurde für ihren Einsatz das erste Mal belohnt, als die Franzosen Mitte der zweiten Halbzeit müder wurden. Kapitän Hens, trotz der Folgen seiner schmerzhaften Schulterverletzung an beiden Spieltagen einer der Besten, traf in der 46. Minute zum 20:20.

"Da hatten wir das Momentum, haben es jedoch in dieser Phase nicht konsequent genutzt", klagte Häusler. Mit den letzten Kräften nahm Saint-Raphaël das Spiel wieder in die Hand. Dann kam auch noch Pech hinzu. Sechsmal traf der HSV Pfosten oder Latte. Bezeichnend: Hans Lindberg scheiterte in der 54. Minute beim Stand von 22:25 erst mit einem Siebenmeter an Djukanovic, den Abpraller ballerte er an den Innenpfosten. Das war aber nicht die Entscheidung. 110 Sekunden vor Schluss hatte der HSV dank Lindberg zum 26:26 ausgeglichen, 75 Sekunden später traf Lijewski zum 27:27, weil in den Minuten zuvor Torhüter Dan Beutler seinem Arbeitsauftrag dreimal reaktionsschnell nachgekommen war.

Zum Entsetzen der 800 französischen Zuschauer ging es in die zehnminütige Verlängerung. Und in der warf Blazenko Lackovic 35 Sekunden vor dem Ende den Siegtreffer. Es war das erste Tor des Kroaten in diesem Spiel.

Tore, HSV Hamburg: Lindberg 8 (1 Siebenmeter), Lijewski 7, Hens 5, Vori 4, Duvnjak 2, Kraus 2, Flohr 2, Petersen 1, Lackovic 1.