Wie die HSV-Spieler das Pokal-Aus bei den Füchsen Berlin verarbeiten. Der sportliche Leiter hofft auf einen regenerativen Effekt.

Hamburg/Berlin. Für einen Moment schien die Welt der HSV-Handballer am Dienstagabend stillzustehen. "Wir sind alle schockiert", gestand Matthias Flohr, der als einer der Ersten die allgemeine Sprachlosigkeit überwunden hatte. Wenig später fand auch die Presseabteilung Worte und vermeldete: "HSV-Handball muss sich aus dem DHB-Pokal verabschieden." Datum: "Sonnabend, 4. Dezember 2010." Als wolle man die Zeit noch einmal zurückdrehen, um einen neuen Anlauf zu nehmen.

Die 27:31-Achtelfinalniederlage bei den Füchsen Berlin hat einiges durcheinandergerüttelt im bislang so harmonischen Hamburger Gefüge. Es war im 23. Auswärtsspiel seit Vereinsgründung 2002 die erste Niederlage in einem Wettbewerb, in dem der HSV als Titelverteidiger angetreten war und nun zusehen muss, wie andere beim Endspiel in der O2 World feiern werden, die die Hamburger so gern als ihr Wohnzimmer bezeichnen. "Die wahren Schmerzen werden erst dann kommen", ahnt der sportliche Leiter Christian Fitzek. Nur zweimal, 2003 und 2005, hatte der Klub bislang das Finalturnier verpasst.

Fitzek hofft nun, dass die nun frei gewordenen Termine wenigstens der Regeneration zugute kommen mögen. Die Kräfte sind ja ein kostbares Gut in Bezug auf die großen Ziele, die die Hamburger haben und die deutlich über den Pokalsieg hinausgehen. Zum Zeitpunkt des Final Four in Hamburg am 7./8. Mai werden dem HSV gerade die Auswärtsspiele beim deutschen Meister THW Kiel und bei den Rhein-Neckar Löwen sowie das Champions-League-Viertelfinale in den Gliedern stecken. Im besten Fall wird er dann bei vier verbleibenden Bundesliga-Spieltagen erstmals als deutscher Meister feststehen und sich auf die Endrunde der Champions Lea gue in Köln Ende des Monats vorbereiten.

Diese Aussicht mag ein wenig über die verpasste Chance hinwegtrösten. Im Etat reißt das Pokalaus ohnehin kein Loch beim Tabellenführer: Man sei nicht so überheblich gewesen, mit den Einnahmen aus dem Final Four zu planen, stellte Fitzek klar. Erfahrungsgemäß schüttet die Bundesliga als Turnierveranstalter gut 150 000 Euro an jeden der vier teilnehmenden Vereine aus. Hinzu kommen Prämien von Sponsoren in unbekannter Höhe.

Weit schwerer trifft den HSV wohl die Erfahrung, die in der Liga auch schon die Kieler beim Tabellenzweiten aus Berlin machen mussten: ein fast schon gewonnenes Spiel noch leichtfertig aus der Hand gegeben zu haben. "Einige dachten beim Stand von 19:16 für uns wohl, wir würden es schon nach Hause schaukeln", ärgerte sich Trainer Martin Schwalb. Die Füchse seien "in der entscheidenden Phase wacher und besser" gewesen als seine eigenen Spieler.

Nur so war es möglich, dass am Ende eine Mannschaft siegte, deren Einzelspieler, mit Ausnahme vielleicht des überragenden Nationaltorwarts Silvio Heinevetter, nicht an das Niveau ihres Gegners heranreichen. Oft genug in 14 hintereinander gewonnenen Bundesligaspielen hat den HSV die individuelle Klasse aus verfahrenen Situationen gerettet. Am Dienstag aber wurde sie zum Problem: "Wir haben uns zu sehr als Individualisten präsentiert", sagte Schwalb, "die Bereitschaft fehlte, den letzten Schritt zu gehen."

Die Berliner aber gingen oft noch einen Schritt weiter: So in jenem spektakulären Angriff kurz vor der Halbzeit, als erst Markus Richwien und dann Konrad Wilczynski den Ball nur mit einem Hechtsprung sichern konnten und am Ende der groß aufspielende Sven-Sören Christophersen den keineswegs enttäuschenden HSV-Torwart Johannes Bitter zum 15:16 überwand. Es war die Szene des Spiels.

"Wir hatten einen sehr großen Willen", bestätigte der siebenmalige Torschütze Alexander Peterson später, was jeder gesehen hatte: "Unser Vorteil war, dass wir keinen Druck hatten, aber Hamburg schon." Er ist nun eher größer geworden. In der vergangenen Saison linderte der Pokalsieg zumindest ein wenig die Wunden, die die knapp verpasste Meisterschaft aufgerissen hatte.

Wenn das besagte Szenario eintritt und der HSV am Saisonende deutscher Meister wird, womöglich sogar die Champions League gewinnt, dann wird in Hamburg keiner mehr von diesem 14. Dezember sprechen. Wenn nicht, wird die Erinnerung noch sehr wehtun.