Der 19-jährige Schüler und Newcomer erzielte beim 40:27 im Heimspiel gegen Lübbecke sein erstes Tor in der Bundesliga für den HSV.

Hamburg. Sollte Marcel Schliedermann gestern in der Schule durch gewisse Fehlleistungen aufgefallen sein, so bitten wir Sie, liebe Lehrer am Alten Teichweg, dies hiermit nachträglich zu entschuldigen. Der Junge hatte am Vorabend gegen den TuS N-Lübbecke noch für den HSV auf dem Handballfeld gestanden, er hat beim 40:27 sogar sein erstes Bundesligator geworfen, und danach hat er noch lange den Medien Rede und Antwort gestanden und ist deshalb spät ins Bett gekommen.

Wahrscheinlich aber braucht Schliedermann diese Entschuldigung gar nicht. Erstens ist er mit 19 Jahren alt genug, um sich zur Not selbst eine zu schreiben. Und zweitens bekommt er die Doppelbelastung bisher ganz gut unter einen Hut. "Die Schule in Hamburg ist ja deutlich leichter als in Baden-Württemberg", hat Schliedermann festgestellt, seit er vor etwas mehr als einem Jahr aus Ehingen (Donau) übergesiedelt ist. Anstrengend sei es trotzdem manchmal, nach dem Training abends mit dem Lernen anfangen zu müssen, wenn die Kollegen die Beine hochlegen.

Schliedermann will sich nicht darüber beklagen: "Diesen Weg habe ich mir ja so ausgesucht." Er ist mit seiner Freundin Verena zum Lernen nach Hamburg gekommen, und da hat er in den vergangenen 15 Monaten große Fortschritte gemacht, wie ihm sein Vater Holger bescheinigt habe, der selbst lange Handball gespielt habe.

Vier Jahre alt war Marcel, als die Eltern im Garten für ihn Handballtore aufgebaut haben. Im Training kommt er sich manchmal neben all den Stars noch immer vor wie ein Kind. "Wenn einen Blazenko Lackovic auswackelt, fühlt man sich schon überfordert." Aber die anderen würden ihm dann gleich erklären, wie man es besser macht. Auch Trainer Martin Schwalb spreche viel mit ihm. "In so einer Supertruppe ist es leicht, besser zu werden."

Irgendwann wolle er auch einmal so gut sein wie die anderen. Die körperlichen Voraussetzungen, 95 Kilogramm und 1,89 Meter, hat er bereits. Die nötige Spielpraxis kann Schliedermann dank einer Förderlizenz beim Zweitligisten Bad Schwartau sammeln. Er ist aufgrund seiner Beidhändigkeit flexibel einsetzbar: im Rückraum, am Kreis, auf Außen, egal, solange er nur spielt.

Am Mittwoch durfte er den Platz von Rechtsaußen Hans Lindberg einnehmen. Sein Tor hat er dann aber vom Kreis geworfen, mit der rechten Hand, mit der es beim Handball ein bisschen besser gehe, obwohl er sonst alles mit links mache. Pascal Hens habe ihm den Ball perfekt vor die Brust gespielt, er habe ihn nur reinmachen müssen. Es war nichts Spektakuläres, aber Marcel Schliedermann wird den Moment in seiner Erinnerung einrahmen: "Das erste Tor vergisst man nie." Und man will immer mehr davon haben.