Für die Handballbrüder Bertrand und Guillaume Gille wäre die deutsche Meisterschaft die Krönung zweier großer Karrieren.

Hamburg. Wie sie das bloß machen: dass man das Gefühl hat, sie seien überall gleichzeitig auf dem Platz? "Eigentlich ganz einfach", sagt Guillaume Gille. Sein Bruder Bertrand nickt zustimmend: "Wir zeigen's euch." Dann klatschen sich die beiden zweimal ab, schütteln sich kurz, schließen die Augen, holen tief Luft und, schwupp, sind aus zwei Gilles plötzlich 16 Gilles geworden.

Wenn es doch nur so leicht wäre wie in einem der Image-Filmchen, die sich findige PR-Köpfe für die französische Handballnationalmannschaft ausgedacht haben. Das mit den Gilles trägt den Titel "Le Duo" und handelt von der "größten Komplizenschaft im Handball". Und auch wenn es eine Werbebotschaft ist: In dem Fall darf man wohl von einer Tatsachenbehauptung sprechen.

Bertrand, 32, und Guillaume Gille, 33, sind ohne einander schlicht nicht vorstellbar - nicht auf dem Feld, nicht im richtigen Leben. Könnte man dieses einmalige Duo einfach klonen, wovon einst der frühere HSV-Trainer Bob Hanning träumte, dann hätten sie in Hamburg schon längst die deutsche Meisterschaft feiern können. So aber kommt alles auf das Spitzenspiel am Sonnabend gegen den Titelverteidiger THW Kiel an. Verliert der HSV nicht, wäre er weiter Tabellenführer der Bundesliga und fast schon am Ziel.

Es wäre für die Gilles die Krönung einer Karriere, die an Höhepunkten wahrlich nicht arm ist. Gemeinsam wurden sie Olympiasieger, Welt- und Europameister. Aber für keinen Titel haben sie so viel investiert wie für die deutsche Meisterschaft, die auch ihre erste wäre. Seit der Premierensaison 2002/03 sind sie das Doppelherz des HSV, die zentrale Achse im Spiel. "Uns wurde viel versprochen, aber wenig gehalten", erinnert sich Bertrand Gille. Der Verein steckte in existenziellen finanziellen Schwierigkeiten und sportlich im Mittelmaß fest.

DER THW KIEL KANN KOMMEN

Für die Gilles wäre es ein Leichtes gewesen, den Arbeitgeber zu wechseln. Wahrscheinlich wären sie dann längst deutscher Meister, und wahrscheinlich gäbe es den HSV dann längst nicht mehr. Aber sie wollten ihre Mission nicht auf halber Strecke abbrechen. Inzwischen sind sie die letzten verbliebenen Gründungsmitglieder und "froh und stolz", Teil einer Vereinsgeschichte zu sein, die auf dem besten Weg ist, eine Erfolgsgeschichte zu werden. Es wäre vor allem das Verdienst der Gilles.

1464 Tore haben sie allein in der Bundesliga geworfen: 631 Guillaume, der Rückraummann und Kapitän, 833 Bertrand, der Kreisläufer und Welthandballer. Die Zahl ihrer Treffer ist von Jahr zu Jahr geringer geworden, ihr Einfluss auf das Spiel des deutschen Pokalsiegers nicht. Sie müssen es jetzt nur nicht mehr allein richten, weil neben ihnen Profis stehen, die ihnen ebenbürtig sind. Domagoj Duvnjak und Igor Vori, die vor der Saison aus Zagreb kamen, lassen den Gilles die Luft, die sie im Saisonfinale noch brauchen könnten. Die beiden Kroaten könnten dereinst ihre Nachfolge in Hamburg antreten.

Im kommenden Jahr endet der Vertrag der Gilles. Noch hat der Verein kein Angebot für eine Verlängerung vorgelegt. Es ist zwar nicht auszudenken, aber auch nicht auszuschließen, dass die beiden Franzosen mit ihren Frauen und jeweils drei Kindern in ihre Heimat zurückkehren. Für diesen Fall sollte der HSV dringend nach einem geeigneten Klonverfahren Ausschau halten.