Im Saisoneröffnungsspiel ist das Improvisationstalent gefragt. Der 28-Jährige wechselt von der Linksaußen-Position auf Rechtsaußen.

Hamburg. Als Matthias Flohr anhebt zu erklären, wie es sich rechtsaußen auf dem Handballfeld für einen Rechtshänder anfühlt, unterbricht er sich selbst: "Wahrscheinlich führt das jetzt für einen normalen Zeitungsleser viel zu weit." Aber dann steht er doch auf und führt das Problem vor, holt fiktiv zum Wurf aus und verdreht den Oberkörper dabei weit nach rechts. Es sei ja nicht nur der Winkel zum Tor um eine ganze Spannweite schlechter, die Sprungbewegung sei auch eine vollkommen andere als linksaußen.

Flohr, 28, erzählt das nicht klagend. Er hat sich auch gar nicht gesträubt, als ihn HSV-Trainer Martin Schwalb in der Vorbereitung plötzlich vom linken auf den rechten Flügel beorderte. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass er seine angestammte Position verlässt, streng genommen hat er nicht einmal eine. Als Flohr noch in der Zweiten Liga für Ahlen spielte, war er vornehmlich im Rückraum im Einsatz. In seiner Hamburger Anfangszeit lief er im Angriff am Kreis auf, bevor er auf Linksaußen umschulte. Bundestrainer Heiner Brand hat ihn dann im vergangenen Jahr für die Nationalmannschaft wieder zum Kreisläufer umfunktioniert. Sogar als Rechtsaußen hat Flohr schon beim HSV ausgeholfen, als einmal die Stammspieler Hans Lindberg und Stefan Schröder verhindert waren.

Nun fallen wieder zwei Linkshänder aus, neben Schröder noch Rückraummann Krzysztof Lijewski, weshalb man Flohr heute Abend beim offiziellen Saisoneröffnungsspiel gegen den dänischen Meister Aalborg (19 Uhr, Sporthalle Hamburg) wohl wieder gelegentlich auf der anderen Seite antreffen wird. In der bisherigen Vorbereitung ging das Experiment meistens gut. Flohr sieht die Versetzung sogar positiv: "Man bekommt einen ganz anderen Blick auf das Spiel und versteht die Perspektive der anderen." So spricht kein Lückenbüßer, sondern ein Improvisationstalent. Ein Allrounder, der im modernen Handball selten geworden ist.

Wenn man Matthias Flohr überhaupt als Spezialisten bezeichnen kann, dann für die Abwehr. Über sie hat er sich in eine Weltklassemannschaft gebissen, der er nun schon im siebten Jahr angehört. Am Ende dieser Saison läuft sein Vertrag aus, aber Flohr zieht es nicht weg, auch wenn er weiß, dass er in den meisten Bundesligavereinen wohl in der Startformation stünde und kein Trainer auf die Idee käme, ihn rechtsaußen aufzustellen.

"Vielleicht wäre ich woanders der Star", sagt Flohr, "aber dafür bin ich nicht der Typ." Das Vereinsleben beim HSV sei ihm wichtig, er sei da wohl etwas altmodisch. Bei der Frage, was dieses Vereinsleben ausmache, erzählt Flohr vom Vorbereitungsturnier in Sindelfingen am vergangenen Wochenende: Als ein paar Fans am Abend nicht wussten wohin, hätten sie sie einfach im Mannschaftsbus mitgenommen.

Aber natürlich würde er auch ungern den Verein wechseln, ohne die Erfolge gefeiert zu haben, an denen er schon so oft knapp vorbeigeworfen hat: "Die vergangene Saison, als wir so lange Tabellenführer waren und am Ende gegen die Kieler verloren haben, haben wir alle noch im Hinterkopf. Diese Erfahrung hat uns noch mehr zusammenwachsen lassen."