Um 16.04 Uhr unterschrieb Nationalspieler Michael Kraus einen Vierjahresvertrag bei den HSV-Handballern. Ablöse rund 200.000 Euro.

Hamburg. Das Papier war noch warm, der zwölfseitige Vertrag druckfrisch, als Michael "Mimi" Kraus um 16.04 Uhr in der Volksbank-Arena mit einem weißen Plastikkugelschreiber seinen Namen unter seine Vereinbarungen mit den HSV-Handballern setzte. "Wir haben bis zum letzten Moment Details geklärt und Werberichtlinien eingepflegt. Jetzt sollte alles wasserdicht sein", sagte HSV-Sportchef Christian Fitzek. Die Unterschrift bindet den 100-maligen Nationalspieler für vier Jahre bis zum 30. Juni 2014 an den deutschen Vizemeister - "ohne Option und Ausstiegsklausel", wie der betonte.

Auf seinen ersten Einsatz in seinem neuen Trikot mit seiner Lieblingsnummer "2" muss Kraus allerdings warten. Bei den Testspielen heute Abend beim TV Borken (Westfalen) und am Freitag in Leipzig gegen Lok Pirna wird er wohl zuschauen, weil alle Unterlagen in den nächsten Tagen erst noch von der Handball-Bundesliga (HBL) geprüft werden müssen und sein alter Verein TBV Lemgo den Eingang der Ablösesumme von rund 200.000 Euro zu bestätigen hat. Die Überweisung des HSV soll heute rausgehen. Weitere rund 100 000 Euro trägt Kraus selbst zu seinem Wechsel bei, weil er in Lemgo auf ausstehende Prämien in dieser Höhe verzichtet. Beim EHF-Europapokalsieger stand der 26-Jährige bis zum 30. Juni 2012 unter Vertrag, den er am vergangenen Freitag auflöste.

An die künftige Zusammenarbeit knüpfen beide Seiten große Erwartungen. Kraus soll der Königstransfer sein, der endgültig die sportliche Lücke zum deutschen Rekordmeister THW Kiel schließt, dem der HSV seit vier Jahren mit allen finanziellen Mitteln vergeblich den Titel abzujagen versucht. "Einer wie Mimi fehlte uns noch, einer mit seiner Antrittsschnelligkeit und Dynamik, der in Eins-gegen-eins-Situationen jeden auf der Welt ausspielen kann", sagt HSV-Trainer Martin Schwalb. Und Fitzek schwärmt: "Er würde jede Mannschaft der Welt bereichern. Gut, dass wir ihn haben."

Das hörte sich vor ein paar Wochen noch anders an. Da waren sich die sportlich Verantwortlichen einig, auf allen sieben Positionen, vom Torwart bis zum Linksaußen, bestens besetzt zu sein und dass ein weiterer Weltklassespieler, der 15., nur unnötige Spannungen in den Kader bringen würde. Ob das nun Teil des Pokers um Kraus war oder doch eine realistische Einschätzung der Situation, ist im Nachhinein nicht schlüssig zu klären. Heute jedenfalls klopfen sich alle Beteiligten wegen des gelungenen Coups auf die Schultern.

Für Kraus ist der HSV sein "Lieblingsverein", und seit den ersten ernsthaften Kontakten vor zweieinhalb Jahren rissen die Gespräche mit den Hamburgern nicht mehr ab. Mit dem befreundeten HSV-Präsidenten Andreas Rudolph tauschte Kraus regelmäßig SMS aus, und Rudolph war es auch, der den Wechsel in diesem Jahr forcierte, als die Beziehung zwischen Kraus und Lemgo in die Brüche ging. Was dort im Ostwestfälischen vorgefallen ist, darüber möchte Kraus in diesen Tagen nicht reden. In Hamburg treibt jedoch niemanden die Sorge um, der ehemalige Nationalmannschaftskapitän könnte beim HSV ein Eigenleben führen. Die Mannschaft, heißt es, würde ihn gegebenenfalls einnorden.

Das scheint im Moment nicht nötig, denn schon nach den ersten gemeinsamen Trainingseinheiten spricht Kraus die Sprache, die der Trainer hören möchte. Das Wort Meisterschaft nimmt der Neuzugang dann auch nicht in den Mund, redet davon, "besser zu sein als im Vorjahr, was angesichts vom Gewinn des Supercups, des Pokals und der Vizemeisterschaft schwer genug wird". Die Saisonziele, sagt Kraus, werde der Trainer rechtzeitig ausgeben. Da scheint einer im Team angekommen zu sein.

In Hamburg hofft Kraus auf die Entwicklung zum kompletten Spieler. Bislang wurde er fast ausschließlich im Angriff eingesetzt, beim HSV wird ihm Schwalb auch Deckungsaufgaben anvertrauen. "Gerade für Gegenstöße aus der Abwehr ist er mit seiner Schnelligkeit der perfekte Mann", sagt Fitzek, "und die kommt besser zum Tragen, wenn er auf dem Feld steht und nicht erst für den nächsten Spielzug eingewechselt werden muss." Um die Fitness des 26-Jährigen ist es übrigens zum Besten bestellt. Als er weder in Lemgo noch beim HSV trainieren durfte, hielt ihn sein Fitnesscoach Karl-Heinz Rupp auf Trab. So verhält sich ein Profi.