Die Handballer des HSV nehmen einen weiteren Anlauf auf die Meisterschaft - mit der besten Mannschaft der Vereinsgeschichte. Eine Analyse.

Hamburg. Jürgen Klinsmann hatte einst die Fußballer des FC Bayern München jeden Tag ein bisschen besser machen wollen, Martin Schwalb, der Trainer der HSV-Handballer, verfolgt da weit bescheidenere Ziele. Jedes Jahr ein bisschen besser, lautet die Maxime des 47-Jährigen, der die Hamburger jetzt in der sechsten und letzten Saison betreut. Spätestens zum 1. Juli 2011 wechselt der Handball-Lehrer in die Geschäftsführung des Vereins.

Jedes Jahr ein bisschen besser, das ist für die am 28. August startende neue Bundesligaserie dennoch ein mutiges Versprechen. Nach dem in der vergangenen Spielzeit knapp verpassten Titel kann es wohl nur ein altes Ziel reloaded geben - die Meisterschaft. Schwalb steht dafür der beste und teuerste Kader der achtjährigen Vereinsgeschichte zur Verfügung; mit Spielmacher Michael Kraus , 26, wurde das Team des deutschen Vizemeisters und Pokalsiegers noch einmal punktgenau verstärkt. Kraus ist wendig, wurfstark und antrittsschnell, ein Mann für Eins-gegen-eins-Situationen. Einer wie er fehlte dem HSV im Angriff.

Dass die Mannschaft im seit 2007 währenden Duell mit Rekordmeister THW Kiel in die Jahre gekommen ist, kann Fluch und Segen zugleich sein. Am Ende der neuen Saison im nächsten Juni werden neben Kraus noch Mittelmann Domagoj Duvnjak, heute 22, Torhüter Johannes Bitter, 27, Stefan Schröder, 29, Hans Lindberg, 29, Matthias Flohr, 28, und Krzysztof Lijewski, 27, unter 30 Jahre alt sein, acht der 15 Stammspieler dagegen älter.

Aus Erfahrung gut oder aus den Überbelastungen der vergangenen Jahre schlapp, das ist hier die Frage. Erste Annäherung an eine Antwort soll es an diesem Wochenende geben. Beim Heide-Cup (siehe Infowinkel rechts) kann sich Schwalb drei Wochen nach Trainingsbeginn ein erstes Leistungsbild seines Teams machen. Die Ergebnisse aus Schneverdingen und Lüneburg wird niemand überbewerten, ein Fingerzeig aber bleiben sie. Der Trainer wird deshalb bei aller nötigen Experimentierfreudigkeit den Ausgang der Begegnungen nicht aus seinem Radar verlieren.

Aufbauen auf dem Erreichten und dort weiterentwickeln, wo noch Potenzial im Team steckt, ist Schwalbs Aufgabe, wie jedes Jahr. Er selbst wird dabei erstmals in der glücklichen Lage sein, seine Fähigkeiten als Trainer niemandem mehr beweisen zu müssen. Seine Zukunft in Hamburg ist gesichert, wenn auch in anderer Position. Das sollte ihn entspannen und ihm den Blick auf das Wesentliche erleichtern.

Die Mannschaft hat in der vergangenen Saison oft an ihrem Leistungslimit gespielt, entsprechend erfolgreich war sie. Auch wenn die Integration der Kroaten Igor Vori (Kreis) und Domagoj Duvnjak (Mitte) überraschend schnell gelang, die beiden Weltklassespieler können den HSV auf ein noch höheres Level heben, als sie es schon getan haben, weil sie diesmal die komplette Vorbereitung mitmachen. Große Hoffnungen setzt der Klub auch in Pascal Hens. Der Nationalmannschaftskapitän dürfte die Langzeitfolgen seiner schweren Verletzungen aus der Saison 2008/2009 (Bruch des Schienbeinkopfes, Achillessehnenbeschwerden) überwunden haben und wieder die bedeutende Rolle spielen, die er zuletzt immer wieder andeutete, aber in der erforderlichen Konstanz nicht ausfüllen konnte.

DAUERKARTENREKORD GEKNACKT

Unsicherheitsfaktoren bleiben die Verschleißerscheinungen bei Bertrand Gille, 32, und Torsten Jansen, 33, wie die Verletzungsanfälligkeit von Schröder und Krzysztof Lijewski. Diese vier über die lange Saison so geschickt einzusetzen, dass sie dem Team helfen, sie aber die Beanspruchung ihrer Muskeln und Sehnen in dem von ihren Körpern gesetzten Rahmen halten, dürfte zur vielleicht meisterschaftsentscheidenden Kunst werden. Gut, dass der HSV die von allen 18 Bundesligaklubs wahrscheinlich beste medizinische und physiotherapeutische Abteilung hat. Sie ist, das hat die Vergangenheit gezeigt, für ein paar zusätzliche Punkte gut. Die Hamburger werden sie brauchen.