Der HSV geht heute mit vier Hamburger Vereinen das Nachwuchsbündnis “Hamburg Lions“ ein. Die Nachwuchsarbeit soll System bekommen.

Hamburg. Worauf sich Tim Dahlhaus einließ, als er 2009 beim Sichtungstraining der HSV-Handballer vorspielte, davon hatte er damals keine konkrete Vorstellung. Sein Vater, selbst ein früherer Regionalligaspieler, hatte ihn angemeldet. Wenige Wochen später war Dahlhaus schon Schüler im Sportinternat am Alten Teichweg, fernab der Heimat Ostfriesland, und der Handball bestimmte fortan seinen Lebensrhythmus. Heute gilt Dahlhaus, gerade 19 geworden, als das größte Talent des deutschen Meisters. Wäre die Meldefrist nicht abgelaufen, hätte Trainer Jens Häusler den A-Jugendlichen für das heutige Champions-League-Gruppenspiel gegen Koper erstmals in den Profikader berufen (19 Uhr, Sporthalle Hamburg/Eurosport).

"Tim war ein Glücksfall", sagt Jugendkoordinator Gunnar Sadewater über den 1,98 Meter großen Rückraumlinkshänder. Künftig soll die Talentfindung beim HSV System haben. In der Halbzeitpause des heutigen Spiels unterzeichnet der HSV eine Kooperationsvereinbarung mit vier Hamburger Vereinen. Unter dem Projektnamen Hamburg Lions wollen der AMTV, der SC Alstertal-Langenhorn, die HG Norderstedt, der TuS Aumühle-Wohltorf sowie der HSV Hamburg ihre besten Nachwuchsspieler zusammenführen.

"Unser Ziel ist vor allem, die Basis der Leistungshandballer in Hamburg zu erweitern", sagt Sadewater. Das Konzept sieht vor, dass von der kommenden Saison an die 14 Topspieler der höchsten vier männlichen Jugendjahrgänge aus allen fünf Klubs für den HSV Hamburg an den Start gehen. Eine weitere Mannschaft tritt als Hamburg Lions an. Die sportliche Qualifikation vorausgesetzt, werden alle Mannschaften in der höchsten Spielklasse angemeldet, in diesem Fall der Schleswig-Holstein-Hamburg-Liga. Ausnahme ist der ältere A-Jugend-Jahrgang: Er vertritt den HSV in der neuen Jugend-Bundesliga.

"Wir wollen damit unseren Leistungsträgern eine Perspektive und eine sportliche Heimat in Hamburg geben", sagt Olaf Korth vom TuS Aumühle-Wohltorf. Noch im Frühjahr sollen die Mannschaften zusammengestellt werden. Fürs Training werden mehrere Hallen genutzt, der Spielbetrieb wird von allen fünf Klubs zu gleichen Teilen finanziert.

Der HSV stellt darüber hinaus vor allem Know-how zu Verfügung. So sollen die Nachwuchstrainer des Bundesligisten ihre Kollegen regelmäßig weiterbilden und so ein einheitliches, leistungsorientiertes Ausbildungskonzept sicherstellen. Das taktische Gerüst ist bereits in einer umfangreichen Videodatenbank dokumentiert.

"Dieser Wissenstransfer ist für einen kleinen Verein wie uns schon eine große Sache und hilft uns sehr", sagt Korth. Derzeit sind 20 Jugendauswahlspielerinnen und -spieler bei dem Vorortverein aktiv. Dass er die größten Talente wohl zum HSV wird ziehen lassen müssen, sieht Korth positiv: "Ich freue mich über jeden Jungen, der weiterkommt." Alle vier Wochen wird ein gemeinsames Elitetraining angeboten werden, um die Leistungsentwicklung zu überprüfen.

Dass der HSV Talente lediglich von den anderen Vereinen abzieht und dann auf der Tribüne hortet, soll durch die Begrenzung des Kaders auf 14 Spieler ausgeschlossen werden. Mittelfristig soll sich die Kooperation für alle auszahlen. So könnten Talente, für die es nicht zur ganz großen Karriere reicht, zu einem schlagkräftigen Erwachsenenteam etwa in der Dritten Liga zusammenfinden und so die sportliche Lücke schließen, die hinter dem HSV klafft. "Uns geht es darum, den Handball in Hamburg insgesamt vor dem Aussterben bewahren", sagt Sadewater. Er hofft, das Bündnis bald in Richtung Westen um einen fünften oder sechsten Kooperationspartner zu erweitern.

Bedenkt man, dass sich der HSV erst 2008 entschlossen hat, überhaupt in den Nachwuchs zu investieren, sind die Fortschritte beachtlich. Die Nachwuchsmannschaften sind in der höchsten Spielklasse angekommen, der Verein wurde gerade zum vierten Mal hintereinander mit dem Jugendzertifikat der Bundesliga ausgezeichnet. Aber noch ist man ein gutes Stück davon entfernt, ein hauseigenes Talent in die Profimannschaft zu integrieren. Sadewater hat sich die Füchse Berlin zum Vorbild genommen, die auf die eigene Jugend bauen können (s. Info-Kasten): "Auch Flensburg und andere Traditionsstandorte sind uns noch voraus." Beim HSV kommt lediglich Linksaußen Robert Schulze aus der U23 gelegentlich in der Champions League zum Einsatz.

In zwei bis drei Jahren, glaubt Sadewater, wird das erste HSV-Talent in der O2 World einlaufen. Max Fabian Sättler hätte das Zeug dazu. Der 16-Jährige wurde bei der Sichtung des Deutschen Handball-Bundes vergangene Woche in Kienbaum ins All-Star-Team gewählt. Dahlhaus ist bereits auf dem Sprung zu den Profis. "Er ist eine richtige Maschine geworden", staunt Sadewater. Im Jugend-Bundesligaspiel gegen Berlin gelangen Dahlhaus kürzlich 18 Tore. Sein Debüt in der ersten Mannschaft ist wohl nur aufgeschoben.