Der 39-jährige Co-Trainer darf sich beim FC St. Pauli bis zum Winter als Chef profilieren. „Ich spüre nicht Druck, sondern Vorfreude“, sagt Vrabec.

Hamburg. Vom Co-Trainer zum Aushilfsübungsleiter und schließlich zum Chefcoach auf Bewährung – diesen Karrieresprung vollzog Roland Vrabec beim FC St. Pauli in den ersten 24 Stunden seit der Trennung vom bisherigen Cheftrainer Michael Frontzeck. „Wir haben beschlossen, dass Roland bis zur Winterpause Cheftrainer unserer Mannschaft sein soll“, verkündete St. Paulis Sportchef Rachid Azzouzi am Donnerstagmittag. Zu diesem Zeitpunkt hatte der 39 Jahre alte Vrabec das erste Training mit der Zweitliga-Mannschaft auf dem Gelände an der Kollaustraße bereits in seiner neuen Funktion geleitet. Dabei wurde unter den Profis bei einer innovativen Spielform zu Beginn viel gelacht. Ganz offensichtlich ging es Vrabec auch darum, die Stimmung unter den Spielern, die von der Frontzeck-Trennung auch völlig überrascht worden waren, aufzuhellen.

Unmittelbar nach der Beurlaubung Frontzecks sollte Vrabec zunächst das Team nur auf das am Montag (20.15 Uhr/Sky und Sport 1 live) anstehende Zweitligaspiel gegen den Tabellen-17. FC Energie Cottbus vorbereiten. Die darauf folgende Punktspielpause bis zum Auswärtsspiel am 24. November in Aalen sollte für die Suche nach einem neuen Cheftrainer genutzt werden. Doch schon im Laufe des Mittwochs reifte bei Sportchef Azzouzi und den Präsidium-Mitgliedern des FC St. Pauli die Entscheidung, Vrabec mehr Zeit zur Bewährung zu geben.

Der diplomierte Fußballlehrer, der aus Frankfurt/Main stammt, hat nun in immerhin sechs Punktspielen die Gelegenheit, seine Qualitäten als Cheftrainer zu beweisen und sich dabei idealerweise als langfristige Lösung zu profilieren. „Ich spüre jetzt keinen immensen Druck, sondern viel eher Vorfreude. Ich bin positiv gespannt“, sagte Vrabec am Donnerstag.

Schon in den vergangenen Monaten hatte Vrabec gemeinsam mit seinem Co-Trainer-Kollegen Timo Schultz die verschiedenen Übungen und Spielformen in der alltäglichen Trainingsarbeit geleitet. Cheftrainer Michael Frontzeck war in aller Regel als aufmerksamer, aber stiller Beobachter auf dem Rasen zugegen. „Ich definiere meine Rolle auf dem Platz nicht anders als vorher. Ich mime hier jetzt nicht den Chef“, sagte Vrabec jetzt. „Ich konnte bei Michael Frontzeck viele eigene Ideen in die Trainingsarbeit einbringen. Dafür bin ich ihm dankbar. Wir kannten uns ja vorher nicht“, berichtete Vrabec weiter.

„Nicht alles über den Haufen werfen“

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass sich künftig das tägliche Training im Vergleich zu Frontzecks Amtszeit nicht im großem Stil verändern wird. „Ich werde hier nicht alles über den Haufen werfen“, sagte Vrabec, „aber doch einige Nuancen verändern.“ Schließlich sei ja nicht alles schlecht gewesen. Aber insgesamt könne man eben nicht wirklich zufrieden sein mit dem bisherigen Saisonverlauf und dem Zwischenergebnis von 19 Punkten aus 13 Spielen und dem achten Tabellenplatz. „Wir haben nicht immer den Fußball gespielt, den wir uns vorstellen“, sagte Vrabec. „Auch Michael Frontzeck war damit nicht zufrieden.“

Im Hinblick auf das Spiel gegen das Team von Energie Cottbus, das mit Stephan Schmidt als gerade neu verpflichteten Trainer am Montagabend ans Millerntor kommen wird, will Vrabec dafür sorgen, dass sich sein Team einzig auf die eigenen Fähigkeiten besinnt. „Wir wollen nur auf uns schauen. Jeder Spieler hat ja seine eigene Art, eine Trainerentlassung zu verarbeiten. Wichtig ist aber, dass sich jetzt alle auf das Spiel am Montag fokussieren“, sagte der frühere Co-Trainer der deutschen U19-Nationalmannschaft.

Unterdessen erläuterte Sportchef Azzouzi die Entscheidung, Vrabec und dem übrigen Trainerteam eine Jobgarantie bis zur Winterpause zu geben. „So ist es für sie einfacher, die Spieler zu erreichen. Diese haben dann nicht an jedem Tag das Gefühl, dass morgen jemand anderes kommen könnte“, sagte er. Zudem untermauerte er noch einmal den Grund für die Trennung von Michael Frontzeck. „Der Verein steht über allem. Es kann nicht sein, dass ein Angestellter den Zeitpunkt bestimmen kann, wann ein Vertrag verlängert wird“, sagte er. „Was kommt dann als Nächstes?“

Am Donnerstag fuhr unterdessen um kurz nach zehn Uhr Michael Frontzeck noch einmal am Trainingsgelände vor, um einige Utensilien aus dem Trainerraum zu holen. Wenige Minuten zuvor hatten die Spieler und Frontzecks bisherige Trainerteam-Kollegen den Rasen betreten und wurden dabei von Fernseh- und Fotokameras sowie von den Reportern und Trainingskibitzen in den Fokus genommen. So blieb Frontzecks kurzer Besuch nahezu unbemerkt.