Kein anderes Team muss so viele Kilometer zurücklegen wie der FC St. Pauli. In Karlsruhe erwartet die Hamburger Profis eine Hitzeschlacht bei über 40 Grad.

Hamburg. Eine Stunde lang schickte Michael Frontzeck seine Mannschaft am Abend zum regenerativen Spazierengehen durch Karlsruhe. Die Beine der Profis des FC St. Pauli sollten nach einer gut fünfstündigen Fahrt im ICE 79 von Hamburg-Dammtor nach Baden gelockert werden. „Ausschlafen“ verordnete der Trainer seinem Team anschließend. Denn mit der ersten Auswärtspartie beim Karlsruher SC an diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) beginnt für die Hamburger in der neuen Zweitliga-Spielzeit auch ein Marathon quer durch die Republik.

Den Titel Reisemeister haben die St. Paulianer schon jetzt sicher: Rund 17.000 Kilometer wird die Mannschaft zu den 17 Spielen zurücklegen. So viel wie kein anderes Team. Weil mit Eintracht Braunschweig ein weiterer Nordclub den Sprung in die Bundesliga schaffte und der VfL Osnabrück in der Relegation zum Aufstieg an Dresden scheiterte, steht für die Hamburger kein Regionalduell mehr auf dem Programm. Neben den Karlsruhern sind sieben weitere Vereine im Süden beheimatet. „Die Reisen werden bei mir nie ein Thema sein, um eventuelle Schwächen zu erklären“, sagt Trainer Frontzeck trotz der höheren Belastung. Einen zwangsläufigen Nachteil sieht auch der Hamburger Sportmediziner Klaus-Michael Braumann in den Reisestrapazen nicht: „Die Belastung ist sehr individuell. Es gibt Menschen, die im Flugzeug oder der Bahn regenerieren können, andere wiederum stresst dies“, erklärt er.

Auf lange Busreisen in den Süden will der FC St. Pauli verzichten

Finanziell muss St. Pauli ob der Entfernungen jedoch tiefer in die Tasche greifen als die Konkurrenz. Teammanager Christian Bönig, der für die Reiseplanungen verantwortlich ist, erklärt: „Je weiter die Fahrt, desto höher sind die Kosten. Fahrten von sieben, acht Stunden können wir der Mannschaft nicht zumuten.“ Deshalb wird St. Pauli auf Busreisen in den Süden verzichten. Zu den Partien in Sandhausen, Frankfurt, Aalen, München, Ingolstadt und Kaiserslautern fliegt der 25-köpfige Tross. Der Unterschied einer Flug- zur Busreise beträgt dabei pro Spiel rund 5000 Euro. Weil der Verein keine Airline mehr im Sponsorenpool hat (früher Germanwings und Air Berlin), müssen reguläre Flugpreise gezahlt werden.

Deutlich strapaziöser als die Anreise nach Karlsruhe dürfte die Partie im Wildparkstadion angesichts der Temperaturen werden. Für die badische Sonnenregion prognostizieren Wetterexperten zu Spielbeginn 37 Grad Celsius. Auf dem Rasen, welcher auf einem stark erhitzten meterhohen Sandboden gebaut ist, erwartet die Spieler Hitze von mehr als 40 Grad. „Beide Mannschaften müssen damit zurechtkommen. Als ich in Stuttgart gespielt habe, war es öfter so, dass Teams bei uns angetreten sind, für die es plötzlich zehn Grad wärmer war als in ihrer Heimatregion. Die hatten da Probleme, aber dies ist jetzt nicht so, weil es in Hamburg ja auch sehr warm ist“, glaubt Frontzeck.

In der Trikotfarbe – die Hamburger müssen in braun antreten – sieht Braumann jedoch einen klaren Nachteil für St. Pauli. „Messungen haben ergeben, dass zwischen hellen und dunklen Trikots ein Temperaturunterschied von fünf, sechs Grad besteht“, erklärt er. „So viel wie möglich trinken“, rät Braumann den Profis deshalb während der Partie. Dabei sollten sie auf reines Wasser zurückgreifen und sich dieses auch über den Kopf gießen. „Es wird darauf ankommen, welche Mannschaft physisch besser drauf ist“, prognostiziert er. Die Karlsruher machten mit diesen Temperaturen bereits bei ihrem 1:0-Sieg in Frankfurt Erfahrungen. Dort hatte Schiedsrichter Florian Meyer die Partie mehrfach für Trinkpausen unterbrochen. Diese Zugeständnisse dürfte auch Guido Winkmann am Sonnabend machen. Die Zuschauer sollen durch Feuerwehrschläuche kühlendes Nass erhalten, der Karlsruher Rettungsdienst stockte das Personal deutlich auf.

Nicht nur aufgrund der Witterung, sondern auch durch die mutmaßlich offensive Ausrichtung des Gegners will Frontzeck seine schnellen Spieler über die Außenbahnen eingesetzt sehen. „Das Fundament ist die Kompaktheit im Spiel gegen den Ball. Der KSC wird uns im Heimspiel aber ein paar mehr Räume geben“, sagt der 49-Jährige, „da müssen wir zügig nach vorne spielen“. Vor allem der windige Marc Rzatkowski, Fin Bartels und St. Paulis laufstärkster Profi Lennart Thy sind in der Offensive aufgefordert, weite Wege zu gehen.

Auch wenn Frontzeck die Sommerhitze nicht als Ausrede gelten lassen will, äußerte der Coach vor der Partie den Wunsch nach flexibleren Anstoßzeiten: „Es wäre schön, wenn man bei diesen Temperaturen, die ja in Deutschland eher selten sind, kurzfristig reagieren und die Spiele in den Abend legen könnte“, sagte er und blieb erwartungsgemäß unerhört. Die nächste Reise nach Süddeutschland (Ingolstadt) steht für den FC St. Pauli ohnehin erst Ende September an.