Der harte Vorwurf von St. Paulis Trainer Michael Frontzeck gegen Präsident Stefan Orth nach dem Sieg gegen 1860 München bleibt aber wohl ohne direkte Folgen.

Hamburg. Es war ein verbaler Wutausbruch, der nach einem Sieg höchst ungewöhnlich ist, der aber offenbar ohne unmittelbare Konsequenzen bleiben wird. Michael Frontzeck, der Trainer des FC St. Pauli, hatte am späten Freitagabend nach dem 1:0-Erfolg seines Teams zum Auftakt der neuen Zweitliga-Saison gegen 1860 München den Clubpräsidenten Stefan Orth verbal angegriffen. Das Ganze geschah im Rahmen der offiziellen Pressekonferenz und ohne vorherige Nachfrage.

Auslöser des Ärgers waren forsche Aussagen Orths am Vortag des Spiels. Im Gespräch mit dem „Abendblatt“ hatte er auf die Frage nach einem Tipp für die Partie gesagt: „Wir gewinnen - und zwar klar.“ Und zum Thema der aussichtsreichsten Mannschaften in der anstehenden Spielzeit wagte Orth die Prognose: „Ich glaube, wir werden das Überraschungsteam dieser Saison.“

Frontzeck berichtete, diese Aussagen des Präsidenten am Morgen des Spieltages in der Zeitung gelesen zu haben. Daraufhin baute sich der Ärger auf, der sich dann in der Pressekonferenz nach dem Spiel entlud. „Ich weiß nicht, wie unser Präsident zu der Aussage kommt, 1860 München klar zu schlagen. Sind wir etwa schon so gut, dass wir einem solchen Gegner Aufbauhilfe leisten müssen? Ich habe schon mit sechs Jahren gelernt, dass man vor jedem Gegner Respekt haben muss, ganz egal, ob es nun ein Kreisligist oder der FC Bayern München ist. Das waren ärgerliche und unnötige Aussagen“, hatte Frontzeck gewettert. Er hatte zuvor nicht das direkte Gespräch mit Orth gesucht, der seinerseits auf der Pressekonferenz nicht anwesend war.

Dagegen war Sportdirektor Rachid Azzouzi Zeuge der Verbal-Attacke und offenbar in die Absicht Frontzecks, hier seinem Ärger Luft zu machen, nicht eingeweiht. Unter dem Eindruck der bewussten Sätze gab er sich betont moderat: „Man darf das jetzt auch nicht zu hoch hängen. Der Präsident hat das Recht, alles zu sagen, was er will, denn er ist schließlich der Präsident der Clubs. Aber gerade nach unserer letzten Saison sollten wir versuchen, demütig zu bleiben. Ich unterstelle Stefan Orth nichts Böses, und er hat sicher auch nicht gedacht, dass das Ganze so ein Ausmaß nimmt. Michael und der Präsident werden sich sicher aussprechen.“

Nachdem alle Beteiligten eine Nacht über die Angelegenheit geschlafen hatten, wurde das Thema beendet, um kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Auf Nachfrage sagte Trainer Frontzeck am Sonnabend: „Kein Wort mehr dazu. Ich will mich lieber dem widmen, was uns Spaß gemacht hat.“ Noch habe er nicht mit Orth gesprochen. „Aber wir tauschen uns ständig aus.“ Orth selbst wollte am Wochenende zu dem Vorgang auch keine Stellung mehr beziehen. „Die Sache wird intern geklärt“, hieß es. Damit ist offenbar auch die Möglichkeit, arbeitsrechtliche Maßnahmen wie eine Abmahnung gegen den Trainer zu verhängen, überhaupt kein Thema.

Thy musste zur Dopingkontrolle

Eine solche Eskalation wäre ohnehin nach dem erfolgreichen Start in die Saison kontraproduktiv. „Wir haben auf dem Platz alles in die Waagschale geworfen“, sagte Frontzeck in der Nachbetrachtung und hatte recht mit dieser Einschätzung. Angetrieben von den meisten der 27.818 Zuschauern hatten die Kiezkicker neben einigen spielerisch ansprechenden Aktionen vor allem in kämpferischer Hinsicht überzeugt. Die insbesondere in der zweiten Halbzeit zu erkennenden Vorteile der Münchner in der Spielanlage führte aufgrund der Stabilität und Einsatzbereitschaft in der St.-Pauli-Defensive nur zu wenigen torgefährlichen Szenen.

Dass dieses typische Unentschiedenspiel am Ende doch noch einen Sieger hatte, lag in erste Linie an zwei Akteuren. Zum einen wagte Lennart Thy in der 80. Minute aus rund 18 Metern einen Schuss auf das kurze Eck des 1860-Tores. Zum anderen ließ sich der Münchner Torwart Gabor Kiraly von diesem Schuss überraschen und den Ball unter seinem Körper ins Netz rauschen.

„Ich habe jetzt schon meine Torquote der vergangenen Saison eingestellt. Natürlich möchte ich in dieser Saison noch ein paar mehr Treffer erzielen“, sagte Thy nach einer unruhigen Nacht. „Ich musste ja noch zur Doping-Kontrolle, war erst gegen Mitternacht zu Hause und habe dann gespürt, dass ich einen schmerzhaften Pferdekuss abbekommen habe“, erzählte der frühere Werder-Spieler. „Ich freue mich sehr für Lenny und darüber, dass er in der Szene die Entscheidung getroffen hat, auf das Tor zu schießen. Von mir wird niemand ein böses Wort hören, wenn er dabei einmal vorbeischießt“, sagte Frontzeck. Für den Präsidenten gilt dies nicht immer.