St. Paulis neuer Trainer leitet heute seine erste Übungsseinheit. Er stellt den Teamgedanken in den Vordergrund und erwartet viel Arbeit.

Hamburg. Die sportliche Bilanz des Trainers Thomas Meggle fällt nicht besonders positiv aus. Ein Punkt aus zwei Spielen, 2:5 Tore, damit ist der Interimscoach nach Klaus-Peter Nemet (null Punkte aus sechs Partien) der erfolgloseste Trainer der Vereinsgeschichte des FC St. Pauli. Seine Leistung besteht jedoch vor allem darin, der Mannschaft die in den letzten Tagen viel zitierten St.-Pauli-Tugenden zurückgegeben zu haben. So sah es auch Präsident Stefan Orth, der sich bei dem Trio Meggle, Timo Schultz und Mathias Hain für ihren Einsatz bedankte. "Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, wer ein wahrer St. Paulianer ist, und das sind die drei", sagte Orth. "Sie haben dafür gesorgt, dass wir eine ganz andere Mannschaft gesehen haben."

Inwiefern sich das Gesicht der Mannschaft in den nächsten Tagen und Wochen ändert, liegt nun in der Hand von Michael Frontzeck, der heute seine erste Trainingseinheit leiten wird und dem die Aufgabe zufällt, über die mannschaftliche Geschlossenheit hinaus auch wieder erfolgreichen Fußball spielen zu lassen. Denn die sportliche Situation hat sich nach dem 2:2 gegen Union Berlin vom Freitagabend noch verschlechtert. Durch die Siege von Aue (2:1 gegen Regensburg) und Sandhausen (1:0 gegen Aalen) beendet St. Pauli den neunten Spieltag auf dem vorletzten Platz der Tabelle und befindet sich tiefer denn je im Abstiegskampf.

Keine leichte Aufgabe für den neuen Trainer, der sich des Vertrauens der Vereinsverantwortlichen aber sicher sein darf. "Wir haben für den schwierigen Weg den richtigen Mann gefunden. Michael bringt Teamgeist, Menschlichkeit und Durchsetzungsvermögen mit", sagte Präsident Stefan Orth über den 48-Jährigen, der aber auch gleich klarmachte, dass er kein Wunderheiler sei. "Es könnte eine Phase werden, die eventuell etwas zäh wird, wir haben viel Arbeit vor uns", sagte Frontzeck, der seinen bis 2014 gültigen Vertrag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt am Sonnabend noch nicht unterschrieben hatte. "Wichtig ist, dass wir wieder Boden unter die Füße bekommen, auch was die Punkte angeht. Momentan verbietet es sich, Richtung oberes Tabellendrittel zu gucken."

Wie er der zuletzt häufig verunsicherten und insbesondere auswärts erfolglosen Mannschaft wieder ein Gefühl der Stärke vermitteln möchte, verriet der ehemalige Mönchengladbacher nur in Ansätzen. "Ich habe gegen Union eine Mannschaft gesehen, die mir sehr gut gefallen hat", sagte er. "Wie die Jungs nach dem 0:1 zurückgekommen sind, spricht für sie." Bei seinem ersten Treffen mit der versammelten Mannschaft am Morgen nach dem Spiel hat Frontzeck deutlich gemacht, worauf es ihm ankommt. Ihm habe gefallen, dass die Mannschaft gezeigt habe, dass sie es gemeinsam schaffen wolle.

Frontzeck gibt sich als Teamplayer, stellt mehrfach die Gemeinschaft, die Geschlossenheit in den Mittelpunkt. Man merkt, dass der Mann Erfahrung im Abstiegskampf hat und die richtigen Worthülsen kennt. Seine Co-Trainer, so sagt er, seien nicht nur da, um Hütchen aufzustellen, er sei nun bei einem Klub, bei dem das Ego des Einzelnen noch nie wichtig gewesen sei, und das sei auch Grundlage seiner Arbeit. "Alle Spieler müssen wissen, dass sie Fehler machen dürfen", sagte er. "Diese abzustellen, versuchen wir Tag für Tag in der Trainingsarbeit."

Dass Frontzecks sportliche Bilanz bei den Vereinen Alemannia Aachen, Arminia Bielefeld und Borussia Mönchengladbach nicht unbedingt Hoffnung auf eine Siegesserie des FC St. Pauli macht, dass der Fußballlehrer auch zum FC St. Pauli gekommen ist, weil er 18 Monate lang arbeitslos war, und dass es für ihn also auch um seinen Ruf geht, darüber spricht an diesem Tag niemand. Bei St. Pauli regieren Vorfreude und Zuversicht.

Über ein mögliches Abstiegsszenario denkt derzeit niemand nach. Die sportliche Lage sei "nicht zu verniedlichen, aber wir haben Zeit genug, sie zu korrigieren", sagte Frontzeck, dessen Kontrakt in der Dritten Liga wohl keinen Bestand haben würde. Bis Dezember wolle er die Mannschaft wieder auf Kurs bringen, um "mittelfristig wieder nach oben schauen zu können". Der Glaube an die eigene Leistungsfähigkeit hat den Klub nicht verlassen. Doch die Zeit drängt. Unter den nächsten Gegnern sind Mannschaften wie 1860 München, Hertha BSC, Kaiserslautern und Eintracht Braunschweig. Der Winter könnte hart werden.