In St. Paulis zweitem Trainingslager schafft der lange verletzte “Professor“ die physische Grundlage für das bevorstehende Comeback.

Hamburg. Es war vor einer Woche in Barsinghausen. St. Paulis Trainer André Schubert verkniff sich am Schlusstag im Sporthotel Fuchsbachtal eine Bemerkung zu seinem spärlich besetzten Kader und richtete den Blick lieber nach vorne. "Ich hoffe, dass wir in Bad Lippspringe zwei Spieler mehr dabeihaben werden." Ein Wunsch, der erfüllt wird. Wenn die Mannschaft am Sonntagmorgen über den 90-minütigen Umweg bei Eintracht Nordhorn Richtung Ostwestfalen zum zweiten Trainingslager der Vorbereitung aufbricht, wird mit Akaki Gogia ein neuer dabei sein. Und selbst wenn die Entscheidung über eine Mitnahme von Talent Linus Büchler sowie der Testspieler Alexander Langlitz und Florin Kringe am heutigen Sonnabend negativ ausfallen sollte, wird auch ein zweiter Neuzugang den Trainingsbetrieb verstärken, der bisher nur vereinzelt hatte mitwirken können: Sören Gonther.

162 Tage nach dem Riss seines vorderen Kreuzbands ist der 25-Jährige bereit für die nächste Belastungsstufe. "Bis auf Spielformen werde ich alles mitmachen", sagt der Abwehrspieler, der im Sommer vom SC Paderborn verletzt ans Millerntor gewechselt war. In der Rückrunde, so die Annahme zum Zeitpunkt der Vertragsunterschrift am 23. März, werde Gonther für seinen 92. Zweitligaeinsatz infrage kommen. Doch bereits zum Trainingsauftakt vor drei Wochen präsentierte Schubert einen deutlich strafferen Zeitplan, wonach sein Musterschüler aus gemeinsamen SCP-Tagen bereits Ende August ins Mannschaftstraining einsteigen könne.

Nun, nach der ersten Juli-Hälfte scheint Gonther bereits wiederhergestellt. Fünfeinhalb statt neuen Monate - Sören Gonther ist paradoxerweise einer der großen Gewinner der Vorbereitung. "Bis heute habe ich keine Schmerzen, hatte auch im Moment der Verletzung nichts gespürt", erinnert er sich an die Partie am 3. Februar gegen Union Berlin, "auch während der Reha lief es perfekt. Wenn es einen optimalen Verlauf gibt, dann bei mir", sagt er und führt "mein gutes Heilfleisch" an, "außerdem bin ich bei Professor Strobel in München sehr gut operiert worden."

Vor allem aber dürften es seine herausragenden Charaktereigenschaften, Fleiß, Ehrgeiz und Disziplin, gewesen sein, die den Genesungsprozess derart beschleunigten. Bereits nach seinem Syndesmoseriss samt "Totalschaden im Sprunggelenk" im März 2009 hatte er sechs Wochen später wieder auf dem Platz gestanden. "Ich habe in der Reha das Maximale herausgeholt, bin ein sehr gewissenhafter Arbeiter und weiß auch, dass ich nicht auf den Kopf gefallen bin", sagt Gonther über Gonther, der als selbstbewusstes Talent in Paderborn bereits früh Verantwortung übernahm und mit 21 Jahren als Vizekapitän die Mannschaft führte. Sein Abitur baute der eloquente Nordhesse mit einem Notenschnitt von 2,0, übernahm beim SCP aufgrund seines Fachwissens schon mal die Analyse des nächsten Gegners und hört seitdem auf den Spitznamen Professor. Ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ist mittelfristig geplant.

Kaum überraschend daher, dass Gonther, der mit seiner Frau in Winterhude lebt, bei aller Vorfreude auf das Comeback Kopfmensch bleibt: "Ich habe mich fünf Monate gequält, da werde ich mir in den letzten drei Wochen nicht alles wieder kaputt machen." Und so wird er in Bad Lippspringe noch auf die Teilnahme an den Spielformen verzichten. "Es sind jetzt die letzten Schritte. Für mich wird das Trainingslager noch einmal in der Grundlagenausdauer hart werden", weiß Gonther. Es ist sein persönlicher Schlussanstieg, während die Kollegen vermehrt im mannschaftstaktischen Bereich arbeiten.

Druck auf die Konkurrenz in der Innenverteidigung, seiner bevorzugten Position, übt er dennoch aus. Mit Florian Mohr, Markus Thorandt und Carlos Zambrano verfügt Schubert über gute Alternativen. Die Kollegen wissen, dass er in den Startblöcken mit den Hufen scharrt. "Frag mal unseren Athletiktrainer Timo Rosenberg", sagt Gonther am Ende des Gesprächs und grinst, "frag mal, gegen wen Carlos heute im Technikwettbewerb verloren hat." Keine Frage, Schubert hat in Bad Lippspringe mehr als nur einen neuen Spieler dabei.