Der Trainer des FC St. Pauli und seine Mannschaft haben eine neue Vertrauensbasis gefunden. Die perfekte Ergänzung bildet ein Ex-Profi.

Barsinghausen. André Schubert lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Mit ruhiger Stimme analysiert er den 5:0-Sieg über Paderborn . Die Pressekonferenz ist längst vorbei, doch er hat noch Zeit für einen Plausch mit einer Handvoll Hamburger Journalisten. Es ist ein Gespräch wie eine Verabschiedung. Er spricht über Fehler, die er gemacht hat. Offen und selbstkritisch. Er hat nichts mehr zu verlieren, ist mit sich im Reinen. Alle gehen davon aus, dass Schubert am folgenden Tag nach nur einem Jahr beim FC St. Pauli beurlaubt wird. Die Reporter, seine Co-Trainer, die Spieler und auch er selbst.

Zwei Monate später, es ist der 5. Juli 2012, schreitet der 40-Jährige durch die Lobby des Sporthotels Fuchsbachtal. Schubert, gebräunte Haut, frisch rasierter Schädel, freundlicher Blick, sieht erholt aus. Er trägt den neuen Trainingsanzug des FC St. Pauli mit den Initialen AS. Am Vorabend hat er in der benachbarten Sportschule des Norddeutschen Fußballverbands spontan einen Vortrag vor angehenden C-Lizenz-Trainern gehalten und im Rahmen einer Fragestunde zu den Anforderungen an einen Bundesligatrainer Rede und Antwort gestanden. Die Lehrgangsteilnehmer hätten keinen Besseren finden können, um sich über die Schnelllebigkeit des Profigeschäfts zu informieren. Obwohl das Präsidium mit einstimmigem Votum Schuberts Ende bereits beschlossen hatte, erhielt er am Tag nach demPaderborn-Spiel zur allgemeinen Überraschung neues Vertrauen statt der Arbeitspapiere, während der ahnungslose Sportchef Helmut Schulte zeitgleich mit dem potenziellen Nachfolger Marco Kurz telefonierte. Am Ende musste Schulte gehen und das Präsidium seinen ramponierten Ruf aufbessern.

Es war die große Frage des Sommers, ob und wie sehr die Autorität des charismatischen Kasselers gelitten hat, welche Spuren die öffentliche Demontage hinterlässt und wie die Mannschaft reagieren würde. Das Verhältnis zwischen einigen Spielern und Trainer war belastet. Profis wie Deniz Naki und Lasse Sobiech hatten im Frühjahr beim Verein hinterlegt, keine weitere Saison mehr unter Schubert spielen zu wollen. Mit emotionalen Überreaktionen und übersteigertem Misstrauen hatte sich der Fußballlehrer angreifbar gemacht. Nun, nach zwei Wochen Vorbereitung, gaben Trainer und Spieler Antworten.

+++ Dum wäre zu haben +++

Die Tage im Trainingslager von Barsinghausen sind geprägt von einem neuen Miteinander. Man begegnet sich mit einem Vertrauensvorschuss und gegenseitigem Respekt. "Wir tragen die Entscheidung des Präsidiums voll mit. Es herrscht Aufbruchstimmung, ich habe ein richtig gutes Gefühl", sagt Führungsspieler Florian Bruns. Schubert hat seine persönliche Vorbereitung erfolgreich abgeschlossen, ist umgänglicher geworden, hat seine Ansprache verändert und spart während der intensiven Trainingseinheiten nicht mit Lob. Seine Verbissenheit abzulegen, ohne an Souveränität und Authentizität verloren zu haben, ist die größte Leistung. "Dass damals einiges falsch gelaufen ist, haben ja alle mitbekommen. Aber da haben mehrere Leute Fehler gemacht", blickt Timo Schultz zurück. Der Ex-Profi, in der vergangenen Saison als Teammanager dabei, gibt dem Trainer allenfalls eine Teilschuld: "Ich habe das Gefühl, dass das, was war, jetzt wegist. Auch, weil drei, vier unzufriedene Spieler den Verein verlassen haben." Schultz kommt beim Neustart eine entscheidende Rolle zu. Nach dem Abgang von Schuberts Co-Trainer Jan-Moritz Lichte nach Leverkusen kürte ihn der Trainer zum neuen Assistenten.

Der 34-Jährige ist als Brückenbauer zwischen Mannschaft und Trainer gefragt. Schultz, vom Denken und emotionalen Handeln her noch Spieler, gilt als perfekte Ergänzung zum technokratischen Schubert. "Schulle ist ein super Typ, lösungsorientiert, aber emotionaler als Jan-Moritz. Er hat immer Ideen und ist noch nah dran", hat Schubert erkannt. Alle wissen, woran es gemangelt hat. Interne Querelen erstickten alle Euphorie. Jetzt sagt Florian Bruns: "Wenn ich ein Problem hätte, ich würde jederzeit bei ihm klopfen." Der Trainer scheint die zweite Chance zu nutzen.