Nach sieben Jahren am Millerntor: Der Ex-St.-Pauli-Profi Marcel Eger spielt seit Juni beim FC Brentford, einem Verein im Westen Londons.

Hamburg/London. Er muss früh raus, fast jeden Morgen. Eine Dreiviertelstunde bevor sich Marcel Eger auf dem Trainingsgelände im Westen Londons einfinden muss, steigt er in die U-Bahn, um 8.30 Uhr gibt es ein gemeinsames Frühstück mit den Mannschaftskollegen, um zehn bittet Trainer Uwe Rösler zum Training, danach folgen Behandlung und Pflege sowie ein gemeinsames Mittagsessen. Der Zeitplan ist exakt durchgetaktet und wird strikt eingehalten. Dass Eger bei seinem neuen Arbeitgeber, dem englischen Drittliga-Klub FC Brentford, mal zwei Tage frei hat, kommt so gut wie nie vor. Seit August absolvierte die Mannschaft 28 Pflichtspiele. Auch über Weihnachten und Silvester ist Eger im Einsatz, für einen Hamburg-Besuch blieb keine Zeit. Marcel Eger ist längst im Londoner Alltag angekommen. "Der Beruf lässt es nicht zu, die Stadt richtig zu entdecken", sagt der 28-Jährige, "aber die volle Ladung Fußball ist gut".

Eger galt in seiner Zeit beim FC St. Pauli, für den er sieben Jahre spielte, schon immer als etwas anderer Profi. Als jemand, der vielfältig interessiert ist, als Musikliebhaber, der durch Plattenläden streift und viele Konzerte besucht, selbst Schlagzeug spielt und sich mit Vorliebe im Hamburger Schanzenviertel aufhielt. Aber er war auch mit Haut und Haaren St.-Pauli-Spieler, erlebte die Dritte Liga und die Bundesliga mit. Bis sein Vertrag im vergangenen Frühjahr nicht verlängert wurde. "Mir war schnell klar, dass ich ins Ausland gehen würde. Ich wollte keine Vergleiche anstellen müssen", sagt er.

Als Uwe Rösler beim BFC in London anheuerte, stellte Egers Berater den Kontakt her. London passte, Egers Freundin studiert dort. Dienstag telefonierte er mit Rösler, Donnerstag stand er erstmals auf dem Trainingsplatz - und fühlte sich gleich heimisch. Der Griffin Park, das knapp 13 000 Zuschauer fassende Stadion des FC Brentford, und das Vereinsgelände liegen in der Einflugschneise des Flughafen Heathrow. Flugzeuglärm kennt Eger auch vom Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße. "Aber das Gelände hier ist viel größer. Und die Engländer können Rasen", zählt Eger die Unterschiede auf. Die Bedingungen seien sehr gut, ein großes Mitarbeiter-Team kümmere sich intensiv um alle Bedürfnisse der Spieler.

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Egers Vertrag bei Brentford läuft bis 2013 plus Option auf eine einjährige Verlängerung. Den will er unbedingt erfüllen. Das Niveau sei gut, sagt er, die Spiele schnell und er habe sich ein bisschen auf die englische Spielweise umstellen müssen. Hoch und weit ist in der dritten englischen Liga ein probates Angriffsmittel. "Der Trainer hat mir gesagt, ich solle mich wieder daran gewöhnen, die Bälle rauszuschlagen", sagt er. "Hier gibt es bei jedem Kopfball, den ich ins Aus kläre, Applaus."

Zu den Heimspielen im Griffin Park, einem kleinen englischen Stadion ohne Zäune, dafür mit einem Pub in jeder Ecke, kommen im Schnitt rund 5000 Fans. Aber "die können auch Alarm machen, sind sehr spielbezogen", sagt Eger, der das Gefühl hat, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Der gebürtige Franke gehört zum Stamm, absolvierte bislang 15 Partien, fast alle über die volle Distanz. Und er hat ein Ziel, das ihn antreibt: Er will nach Wembley! Dort findet im Mai das Play-off-Finale statt, die Spiele um den Aufstieg in die Zweite Liga, die Championship. "Das wäre ein Knaller. Da ist die Aufmerksamkeit schon sehr groß, viel größer als in der zweiten Bundesliga", sagt der Innenverteidiger. Um die Play-offs zu erreichen, muss Brentford mindestens Sechster werden, momentan liegt der BFC auf Platz sieben.

Egers Ehrgeiz ist ungebrochen, weil er sich wohlfühlt. "Ich genieße das intensive Fußballerleben", sagt er, "und wohne in einer wahnsinnig spannenden Stadt." Seine kulturellen Bedürfnisse bleiben trotz wenig Freizeit und der vielen langen Bahnfahrten nicht auf der Strecke. Er ist mit seiner Freundin nach Notting Hill gezogen, "ein sehr angenehmer, bunter, alternativer Stadtteil, vielleicht vergleichbar mit dem Karoviertel". Den Plattenladen seines Vertrauens hat er bereits gefunden, ab und zu, wenn es der Trainingsplan dann doch mal erlaubt, geht er auf Konzerte. Sein Mitspieler Jonathan Douglas kenne sich da sehr gut aus, erzählt er.

So hält sich das Heimweh in Grenzen. Auch weil Eger seine Wohnung in Hamburg behalten will und weil er weiß, dass er irgendwann zurückkehren wird. "Ich verfolge alles, was bei St. Pauli passiert und freue mich über die Entwicklung", sagt er. Die Spiele schaut er in einem Pub, dem "Zeitgeist", wo der Londoner St.-Pauli-Fanklub zu Hause ist. Dort erkennen ihn die Leute manchmal, einmal traf er zufällig König Boris von der Hamburger Band "Fettes Brot". "Ich pflege rege Kontakte und schaue mal, was sich in Zukunft ergibt, ob man vielleicht mal Präsident des FC St. Pauli wird", sagt er zum Abschied. Und muss selbst über diese Idee lachen.

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