Borussia Dortmund zeigte dem Aufsteiger die Grenzen auf - Trainer Stanislawski kritisiert nach 1:3 die Defensivleistung des Kiezklubs.

Hamburg. Als Holger Stanislawski gestern in St. Paulis Mannschaftssitzung die verbale Aufbereitung des 1:3 vom Vortag gegen Borussia Dortmund abgeschlossen hatte, gab es erst einmal ein Geburtstagsständchen vom Team. "Happy Birthday, lieber Opi", habe er herausgehört, erklärte der 41 Jahre alt gewordene Coach, der am liebsten nicht weiter altern möchte. Stanislawski wirkt nicht eitler als andere Männer, möchte aber trotzdem gern seinen Geburtstag abschaffen, weil dieser seit jeher mit Fußballspieltagen nur selten eine Erfolgskombination bildet.

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Am Sonnabend hatte Stadionsprecher Rainer Wulff vor der Partie am Millerntor noch die vorsichtige Hoffnung geäußert, dass die Kiezkicker ihrem Trainer schon einmal vorab ein Geschenk bereiten würden, doch auf dem Platz erwiesen sich dann die spielstarken und selbstbewussten Dortmunder als zu großes Paket für die Braun-Weißen. "Man muss so offen sein und sagen, dass es an diesem Tag für uns einfach nicht gereicht hat", sagte Stanislawski. "Unser Spiel gegen den Ball war einfach enttäuschend. Wir hatten defensiv einige Totalausfälle. Was der eine oder andere geboten hat, war sehr schlecht. Dann fällt es schwer zu punkten."

Ein hartes und nach Meinung seines Dortmunder Amtskollegen auch nicht ganz faires Urteil des verärgerten St.-Pauli-Trainers. Jürgen Klopp stellte zurecht fest, dass seine "Jungs das auch einfach richtig gut gemacht" hatten und sprach damit vor allem den starken Auftritt der BVB-Offensive um Torjäger Lucas Barrios, den erst 18 Jahre alten Mario Götze und den japanischen Neuzugang Shinji Kagawa an, die St. Paulis Defensive, in der Ralph Gunesch erstmals in dieser Saison mit Markus Thorandt das Innenverteidigerpaar bildete, ein ums andere Mal vor große Probleme gestellt hatten.

Für St. Pauli hatte "das Debakel" (O-Ton Stanislawski) allerdings schon beim Aufwärmen begonnen, als der erstmals von Beginn an vorgesehene Einsatz des ehemaligen Schalkers Gerald Asamoah an Schmerzen am Hüftbeuger scheiterte. "Wir wollten dann kein Risiko eingehen", sagte der frühere Nationalspieler und wies damit ebenso wie sein Trainer Spekulationen zurück, dass es sich um eine taktische Finte gehandelt habe. Diese Vermutung dürfte bei vielen unter den 24 082 Zuschauern im Stadion spätestens aufgekommen sein, als Asamoah, für den der am Mittwoch gegen Mönchengladbach noch geschonte Rouwen Hennings in die erste Elf gerückt war, nach 68 Minuten doch noch eingewechselt wurde.

Anders als in den Spielen zuvor gegen den HSV und Mönchengladbach konnte der gebürtige Ghanaer diesmal allerdings keine entscheidenden Akzente setzen. Für Aufregung sorgte er einzig bei einem Zusammenprall mit BVB-Torhüter Roman Weidenfeller, der seit einer Affäre um angeblich rassistische Beleidigungen als Intimfeind Asamoahs gilt. "Wir lieben uns", erklärte der 31 Jahre alte Offensivspieler nach der Partie, "ich wollte ihm eigentlich nach der Aktion noch die Hand geben, aber der Schiri kam dazwischen."

Fußballerisch hatte Asamoah gehofft, dass er zu einem zweiten Tor St. Paulis beitragen würde, das noch einmal echte Spannung in die ansehnliche Partie gebracht hätte. Doch dafür, so Asamoah, habe Dortmund einfach zu clever agiert. So blieb es beim Treffer von Hennings, der nach 26 Minuten, von Fin Bartels mit der Hacke bedient, ein wenig überraschend die von Kevin Großkreutz erzielte Dortmunder Führung ausgeglichen hatte. Anschließend war St. Pauli besser ins Spiel gekommen und hatte sogar mehrfach die Chance zum 2:1. "Wenn du ein Gegentor bekommst, merkst du, wie zart das Pflänzchen Selbstvertrauen ist", sagte BVB-Coach Klopp. "Da ist St. Pauli einfach mal drübergewalzt."

Als Bartels dann jedoch kurz nach dem Wechsel in Rücklage den Ball nicht im Dortmunder Tor unter- und Kagawa im Gegenzug die Gäste wieder in Front brachte, bedeutete dies die Vorentscheidung. "Das 1:2 war der Knackpunkt", ärgerte sich Florian Bruns, der sich vor dem Gegentor den entscheidenden Ballverlust geleistet hatte. "In der Halbzeit hatten wir uns viel vorgenommen und dann kam dieser kapitale Bock von mir. Wenn man gegen Dortmund zweimal in Rückstand gerät, wird es sehr schwer."

Mit dem BVB, für den Großkreutz nach einer Stunde zum Endstand traf, hatte der Aufsteiger erstmals in dieser Saison einen klar besseren Gegner vor sich, einen Gegner aus einer anderen Liga. "Die stehen ja nicht umsonst da oben", sagte St. Paulis Verteidiger Carsten Rothenbach. "Letztlich können wir von solchen Spielern auch etwas lernen." Dies ändere allerdings nicht daran, dass man den Borussen nach der Pause mit "zwei Daddeltoren" auch geholfen habe.

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Für Stanislawski, der zwischenzeitlich vor Wut seine Jacke zu Boden gefeuert hatte, begann bereits mit dem Abpfiff die Aufarbeitung der Partie. Gedankenverloren betätigte er sich als Aushilfs-Platzwart und glich Löcher im Rasen aus. Die in der Defensive sollten seine Spieler spätestens am Freitag gestopft haben, wenn in Hannover die nächste Partie ansteht. Nur dann ist zumindest ein nachträgliches Geschenk für den Trainer drin.

Die Statistik

St. Pauli: Kessler - Rothenbach, Gunesch, Thorandt, Oczipka (63. Kruse) - Lehmann - Bruns, Takyi (68. Asamoah), Hennings (83. Schultz), Bartels - Ebbers. - Trainer: Stanislawski

Dortmund: Weidenfeller - Owomoyela, Subotic, Hummels, Schmelzer - Sven Bender, Sahin - Götze, Kagawa (70. Lewandowski), Großkreutz (85. Feulner) - Barrios (78. Blaszczykowski). - Trainer: Klopp

Schiedsrichter: Wolfgang Stark (Ergolding)

Tore: 0:1 Großkreutz (17.), 1:1 Hennings (26.), 1:2 Kagawa (50.), 1: 3 Großkreutz (60.) Zuschauer: 24.082 (ausverkauft)

Beste Spieler: Bartels, Rothenbach - Kagawa, Sahin

Torschüsse: 12:13

Ecken: 9:3

Ballbesitz: 49:51 %

Fouls: 12:17