St. Paulis Fanklubsprecherrat kritisiert die drohende Strafe. Frankfurts Vorstand Bruchhagen glaubt nicht an den Erfolg eines Einspruchs.

Hamburg. "Der FC St. Pauli ist ein besonderer Verein mit einer besonderen Fankultur. Und das wird er auch bleiben. Über das Jahr, über diese Saison und über dieses Urteil hinaus." Mit diesen Worten hatte der Vorsitzende Richter des DFB-Sportgerichts, Hans E. Lorenz, vor nicht einmal einem Jahr die Verhandlung gegen St. Pauli wegen des Bierbecherwurfs eines Fans beim Bundesligaspiel gegen Schalke 04 beendet. Zuvor ersparte er den Hamburgern zwar ein "Geisterspiel" vor komplett leeren Rängen, verhängte jedoch eine Platzsperre mit Teilausschluss der Öffentlichkeit. St. Pauli bestritt den Auftakt der Zweitligaspielzeit gegen den FC Ingolstadt in Lübeck vor nur rund 10.000 Zuschauern.

Ein ähnliches Szenario, nämlich eine Partie vor leeren Stehplatzrängen am Millerntor, droht dem Aufstiegsaspiranten nach dem Kassenrollenwurf gegen Eintracht Frankfurts Pirmin Schwegler im Dezember. Dann müssten 13.000 Fans bei einer Heimpartie draußen bleiben. Zwar stimmten die Verantwortlichen des Klubs dem entsprechenden Strafantrag des Kontrollausschusses am Montag nicht zu (Abendblatt berichtete) , die Chancen auf eine mildere Strafe scheinen jedoch gering. Zumindest nach Meinung von Eintracht Frankfurts Vorstandsvorsitzendem Heribert Bruchhagen. "An den Erfolg eines Einspruchs glaube ich nicht. Mir war nach den massiven Protesten von Dynamo Dresden immer klar, dass der nächste betroffene Westverein ein massives Problem haben wird", sagte Bruchhagen dem Abendblatt. Die Dresdner waren nach Krawallen beim DFB-Pokalspiel in Dortmund im November für die kommende Pokalspielzeit ausgeschlossen worden und beklagten eine überharte Sanktionierung - vor allem gegen ostdeutsche Klubs. Auch Hansa Rostock war im Herbst nach Ausschreitungen (gegen St. Pauli) mit einem "Geisterspiel" hart bestraft worden.

Weil es im aktuellen Fall um die Tat einer einzelnen Person geht und der Werfer zudem glaubhaft beteuerte, es habe sich um ein Versehen gehandelt - die Kassenrolle sollte sich wie eine Girlande abrollen - , spricht Tilmann Brauns von einer "nicht hinnehmbaren Strafe". Das Mitglied des Fanklubsprecherrats des FC St. Pauli sagt: "Das ist vergleichbar mit Sippenhaft. Die Strafen des DFB werden immer rigoroser, ohne dabei die Zusammenhänge herzustellen. Der Fan spielt scheinbar keine Rolle mehr", klagt Brauns. Dagegen hält Bruchhagen: "Wer etwas wirft, will grundsätzlich auch jemanden treffen. Wir müssen auch weg von der Theorie der Einzeltäter. In Wahrheit werden solche Taten von vielen Fans toleriert oder sogar bejubelt."

+++ Stellungnahme zu den Presseberichten über den Strafantrag des DFB-Kontrollausschusses +++

Im Gegensatz zu St. Pauli hatten die Frankfurter im vergangenen Jahr auf einen Einspruch verzichtet, als der Kontrollausschuss sie zu einem Spiel unter Teilausschluss der Öffentlichkeit verdonnert hatte. 200 Eintracht-Chaoten waren nach Abpfiff gegen den 1. FC Köln auf den Rasen gestürmt und hatten Sicherheitskräfte angegriffen und eine Kamera zerstört. Die Heimpartie gegen St. Pauli (1:1) im August 2011 fand in der Folge vor leerer Fankurve statt. "Der wirtschaftliche Schaden lag bei 500 000 Euro", sagt Bruchhagen, "die Stimmung im Stadion war ungewohnt."

Dass die Ultras Sankt Pauli, deren Bereich auf der Südtribüne von einem Teilausschluss betroffen wäre, bei einer derartigen Strafe auf die Unterstützung ihrer Mannschaft verzichten würden, glaubt Brauns jedoch nicht. "Sie würden sicher nicht zu Hause Sky gucken", sagt er. Pläne gäbe es jedoch noch nicht, "schließlich sprechen wir noch im Konjunktiv". St. Paulis Verantwortliche hüllen sich weiter in Schweigen. Zunächst erwartet der Klub mit Spannung das Urteil des Einzelrichters beim DFB. Sollte das Strafmaß bestätigt werden, gilt ein Widerspruch als wahrscheinlich. Dann würde es bei einer Verhandlung zu einem Wiedersehen vor dem Sportgericht kommen.

Die Stellungnahme des Fanladens des FC St. Pauli www.abendblatt.de/fanladen