Der Flügelflitzer des FC St. Pauli provozierte nach dem Hinspiel die Rostocker Fans, doch er bereut seine Geste mittlerweile.

Hamburg. Im Hamburger Miniatur Wunderland ist seit Ende Februar ein Berg in die Modellbau-Landschaft integriert worden, den einige Fans des FC St. Pauli zugunsten der Erdbebenopfer von Haiti ersteigert und "Mount Sankt Pauli" getauft haben. Auf dem Gipfel steht eine kleine Figur im St.-Pauli-Trikot mit der Nummer 23 auf dem Rücken. Sie hält eine braun-weiß-rote Fahne in der Hand und rammt sie symbolkräftig in den Boden.

Deniz Naki, der beim FC St. Pauli die Nummer 23 trägt, ist nach nicht einmal einer kompletten Saison bei den Hamburgern schon eine kleine Legende geworden, auch wenn er sich selbst niemals so bezeichnen würde. Doch mit der Aktion, nach einem erfolgreichen Auswärtsspiel eine St.-Pauli-Fahne in den Stadionrasen zu rammen, hat sich Naki im Kultverein vom Millerntor einen Kultstatus erarbeitet, den die Fans und das Miniatur Wunderland auf dem Mount Sankt Pauli verewigt haben.

Deniz Naki wird aber vorerst keine Fahnen mehr in fremden Stadien in den Boden rammen. Letztmals tat er das im Auswärtsspiel bei Hansa Rostock, das die Hamburger 2:0 gewannen und in dessen Nachlauf Naki viel Ärger bekam. Nicht weil er die Fahne in den Rasen rammte, das war nur das i-Tüpfelchen. Zuvor hatte der 20-Jährige das entscheidende Tor zum Sieg erzielt und sich in der hitzigen Atmosphäre zu einer provokanten Geste in Richtung der Rostocker Fans hinreißen lassen. Er fuhr sich mit dem Daumen horizontal am Hals entlang. Naki wurde für drei Spiele gesperrt. Er entschuldigte sich für sein Verhalten bei Hansa Rostock und den Fans, von den Anhängern des FC St. Pauli wurde er im nächsten Heimspiel gefeiert. "Die Fans haben mich unterstützt, wollten mir zeigen, dass sie hinter mir stehen. Das hat gut getan", sagt er und senkt im nächsten Moment die Stimme. "Aber ich weiß, dass ich so etwas nie wieder machen werde. Ich habe daraus gelernt."

Naki hat sich seine Unbekümmertheit bewahrt, er ist immer noch zu jedem Spaß aufgelegt und redet, wie ihm der Mund gewachsen ist. Doch die Wochen nach dem Spiel in Rostock waren eine extreme Erfahrung für den Nachwuchsspieler. Negativ, weil ihm seine eigenen Emotionen zum Verhängnis wurden, weil er gemerkt hat, was alles passieren kann, wenn man in der Öffentlichkeit einen Fehler macht. Und weil er nicht Fußball spielen durfte. Positiv, weil er die Unterstützung der Fans, des Vereins und vor allen Dingen seines Trainers Holger Stanislawski erfuhr. Vor dem Rückspiel gegen den Rivalen aus der Hansestadt (So, 13.30/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) versucht Naki sich allein auf das Spiel zu konzentrieren. "Ich weiß nicht, ob die Rostocker Fans mir verziehen haben, es ist mir auch egal. Wichtig ist, dass wir drei Punkte holen."

Für den Heißsporn läuft es in seiner ersten kompletten Profisaison mehr als zufriedenstellend. In 24 Spielen kam er zum Einsatz, nur die drei Spiele, in denen er gesperrt war, musste er zuschauen. "Es kann immer besser werden, mein Ziel ist es, immer von Anfang an dabei zu sein", sagt Naki, der ein sehr enges Verhältnis zu seinem Trainer hat. "St. Pauli ist für mich wie eine Familie. Ich habe hier einen Vater und meine Brüder. Wenn mir irgendetwas passieren würde, ich würde den Trainer anrufen", sagt er. Stanislawski war es dann auch, der ihm einen Tipp gab, wie er seine Emotionen auf dem Spielfeld besser kontrollieren kann. "Er hat mir geraten, meinen Frust nicht an den Spielern oder dem Schiedsrichter auszulassen. Er sagt, ich solle ihn angucken und anschreien, wenn es nicht anders geht." Naki ist Vollblutfußballer. Es gibt für ihn nur wenig anderes. Die Schule hat er nach der neunten Klasse abgebrochen, um sich voll auf den Fußball zu konzentrieren, Hobbys hat er keine. "Ich bin ein Draufgänger", sagt er. "Immer schon gewesen."