Trotz des 5:0 gegen den SC Paderborn verpasst der FC St. Pauli die Relegation. Das Präsidium wird die Freistellung des Chefcoachs bekannt geben.

Hamburg. Wie so oft in den vergangenen zehn Monaten war er es, der die Partie als Erster abhakte und den Blick pragmatisch nach vorn richtete. In den nächsten Tagen werde man gezielt an der Kraft und Stabilität, zwei Defiziten der vergangenen Wochen, arbeiten, sagte André Schubert: "Wir wollen uns damit für die Pause präparieren." Bis zum 18. Mai stehen noch sechs Testspiele an, am 26. Juni ist wieder Trainingsbeginn. Schubert hat die Pläne bereits erarbeitet, Neuzugänge verpflichtet und die Saisonvorbereitung 2012/13 detailliert terminiert. Theorie, mit deren praktischer Durchführung St. Paulis Chefcoach nicht mehr betraut sein wird. Heute wird das Klubpräsidium auf einer Pressekonferenz die vorzeitige Trennung vom 40-Jährigen bekannt geben.

Während Schubert in ebenjenem Medienraum der Haupttribüne, in dem heute sein Ende offiziell verkündet wird, noch mit einer Handvoll Journalisten den vorangegangenen 5:0-Sieg gegen den SC Paderborn analysierte, den Sommerfahrplan skizzierte und zu den Geschehnissen der letzten Tage Stellung bezog, fällten Präsidium und Aufsichtsrat keine 100 Meter entfernt das Urteil über den in die Kritik geratenen Trainer. Der hatte mit der Mannschaft 62 Punkte in seiner Premierensaison geholt, war in den letzten elf Partien am Millerntor ungeschlagen geblieben und verpasste die Teilnahme an der Relegation am Ende nur aufgrund der im Vergleich zu Düsseldorf fünf Treffer schlechteren Tordifferenz. "So ganz blind war die Saison jetzt nicht", bilanzierte Schubert sachlich und ruhig, wissend, dass die Chance auf einen Verbleib trotz des bis 2013 gültigen Arbeitspapiers so gering war wie auf das Erreichen der Relegation zuvor.

Er hatte die Berichterstattung verfolgt. Wie das Abendblatt hatte auch die "Bild" am Freitag vermeldet, dass sich Präsidium und sportliche Leitung intensiv mit der Trainerfrage beschäftigen. Zudem hatte die Boulevardzeitung einen ganzen Katalog an Verfehlungen Schuberts aufgelistet. Vorwürfe, die sich aus klubinternen Treffen, vertraulichen Gesprächen und SMS speisten. Vorwürfe, die nicht den Trainer, sondern den Menschen André Schubert als Adressaten hatten. "Klar ist, dass ich durch meine konfliktfreudige Art Kritikern Nahrung gebe", sagte Schubert gestern selbstkritisch, "vielleicht muss ich mich mit den Gremien des Vereins mehr beschäftigen, öfter mal Ratschläge annehmen, muss lernen, mit Niederlagen und Fehlern anders umzugehen, und cooler bleiben. Aber ich denke, dass ich mich bereits weiterentwickelt habe. Und zwischen Mannschaft und Trainer hat es hier nie ein Problem gegeben."

Die Verantwortlichen aber gelangten zu einer anderen Entscheidung, sahen sich zu dem Schritt gezwungen, nachdem der Mannschaftsrat in der Trainerfrage beim Präsidium vorstellig geworden war und Sportchef Helmut Schulte, innerhalb des Führungsgremiums mittlerweile ebenfalls in der Kritik, seine Empfehlung ausgesprochen hatte. Schubert verlor seine Fürsprecher in den entscheidenden Gremien, wo sich Mitglieder bereits vor einem halben Jahr über das Auftreten des konsequenten Trainers echauffiert hatten. Als Deniz Naki zum Abschlusstraining am Sonnabend volle 30 Minuten zu spät erschien und von Schubert gemaßregelt wurde, antwortete der Spieler mit abfälliger Gestik: "Was willst du denn?! Du bist hier nicht mehr der Trainer."

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Längst war seine Autorität untergraben. Alle wussten, dass das Ende unausweichlich war, nachdem Präsidium und Sportchef Schulte selbst am Freitag, dem Tag des Öffentlichwerdens der Kritik, auf demonstrative Rückendeckung verzichtet hatten. "Bei der Pressekonferenz vor dem Spiel saß ich alleine auf dem Podium, daraus kann man alles schließen", sagte Schubert gestern und ließ durchblicken, dass er zu Unrecht als Sündenbock für die zahlreichen internen Spannungen gelte. Auch bezüglich der Abgänge von Spielern: "Ich bin es leid, immer als derjenige dargestellt zu werden, der hier die Leute abschießt. Es gibt da ein Gremium, ich bin weder allein- noch hauptverantwortlich", verklausulierte Schubert seine Kritik am Sportchef, der längst den Daumen gesenkt hatte: "Zudem sind hier in den vergangenen Tagen einige komische Dinge und Gespräche vorgefallen." Schubert versah seine Bemerkungen mit einem Lächeln und zog die Schultern hoch. "Bei mir ist es so, dass ich immer ruhiger werde, je brisanter es wird", sagte er und lachte laut.

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Der Theorie folgend muss er gewusst haben, wie es um 16.40 Uhr um ihn stand, als er den Raum fast schon erleichtert wirkend verließ. "Es liegt nicht mehr in meiner Hand", sprach Schubert und verabschiedete sich mit freundlichem Gruß. Es war ein Abschied für immer, der heute bekannt gegeben wird. Schubert geht, sein langjähriger Assistent Jan-Moritz Lichte hingegen soll bleiben - und gilt im Verbund mit den Co-Trainern Mathias Hain und Thomas Meggle als Favorit auf die Nachfolge.