Der Boss plant seinen Abgang beim Bundesliga-Aufsteiger FC St. Pauli - doch selbst der Rücktritt des Präsidenten wird zum Politikum.

Hamburg. Er liebt die Inszenierung, Dramatik, die große Bühne. Als Schauspieler, als Theaterbesitzer, als Kulturschaffender und Präsident des FC St. Pauli. Und das nicht nur in der Beobachterrolle. Cornelius Littmann steht gern im Mittelpunkt. Dort, wo der Scheinwerfer am hellsten strahlt, ist er zu Hause. Und so war beim 57-Jährigen gestern nicht mal der Ansatz von Lampenfieber zu verspüren, als er an der Spitze der braun-weißen Delegation vom Hamburger Senat im Rathaus empfangen wurde. Aus den Händen von Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) nahm Littmann die Sportplakette des Bundespräsidenten entgegen. Womöglich der Orden zum Abschied.

Nach Abendblatt-Informationen soll der noch bis 2011 gewählte Präsident intern bereits seinen sofortigen Rücktritt für diese Sommerpause angekündigt haben, in den kommenden Wochen will er seinen Entschluss offiziell machen. Angekündigt hatte er den finalen Schnitt schon häufiger, Vertraute berichten von einer gewissen Amtsmüdigkeit. Die jüngste Kritik aus der Fanszene, die mit Spruchbändern ihrem Unmut Luft und mit Blick auf die Jahreshauptversammlung im kommenden Jahr hinter den Kulissen bereits Stimmung gemacht hat, mag ihren Teil dazu beigetragen haben. In jedem Fall wäre es ein Abgang auf dem Gipfel seiner Ära, kurzum: der ideale Zeitpunkt.

HAIN SOLL TORWARTTRAINER WERDEN

Im Dezember 2002 übernahm er - zunächst kommissarisch - einen Verein im freien Fall, sportlich wie wirtschaftlich. Der FC St. Pauli befand sich nach dem Abstieg aus der Bundesliga auf direktem Weg in die Regionalliga und wurde von Schulden in Millionenhöhe erdrückt. Als der zweite Abstieg perfekt war, stand der Klub unmittelbar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ein neuer Tiefpunkt in der bewegten Vereinschronik, der sieben Jahre später als Keimzelle des jüngsten Erfolgs verstanden werden muss. Littmann besetzte die Schaltstellen in der Führungsetage neu, initiierte diverse "Retter"-Aktionen und führte am Millerntor solides Wirtschaften ein. Mit seiner ihm eigenen Kreativität und privaten Darlehen bis in den sechsstelligen Bereich half er St. Pauli auf die Beine. Aus dem Chaos-Klub wurde ein konservativ handelnder Stadtteilverein. Forciert durch das Erreichen des Pokalhalbfinals 2006 gelang der Weg zurück. 2007 feierten 80 000 Fans den Aufstieg in die Zweite Liga, nun den Sprung in die Bundesliga. "Wir werden sechs Monate lang durchsaufen", verkündete Littmann schon im Januar. Dass der Triumph mit dem 100. Geburtstag des Vereins zusammen fällt und im Sommer die neue Haupttribüne am Millerntor fertiggestellt wird, macht das braun-weiße Märchen perfekt. Das Stadionprojekt ist sein persönliches Verdienst, die Entschuldung zumindest indirekt. Den gestern überreichten Orden gab es "für die Verdienste um die Entwicklung und Pflege des Sports", wie Senatorin von Welck erläuterte.

Dass Littmann bei aller positiver Ergebnisse stets nach eigenen Regeln zu spielen pflegt, Satzungsbarrieren und moralische Hürden an Vereinsgremien und -Institutionen vorbei locker überspringt, ist die andere Erkenntnis aus siebeneinhalb Jahren polarisierender Präsidentschaft. Da passt es ins Bild, dass schon die Vorbereitung des Abgangs Irritationen bewirkt. Neben dem Rücktritt wollte Littmann auch gleich seinen designierten Nachfolger verkünden: Vize Marcus Schulz. Allerdings heißt es unter Paragraph 23, Punkt 4 der Vereinssatzung: "Scheidet der Präsident vorzeitig aus, (...) entscheidet der Aufsichtsrat, welches verbliebene Präsidiumsmitglied bis zur nächsten Mitgliederversammlung die Aufgaben des Präsidenten wahrnimmt."

Es ist nicht die Person des renommierten Marcus Schulz, die nun für Unstimmigkeiten sorgt, es ist die Art und Weise, wie der Präsident seinen Erben ins Amt hieven will. Und so traf sich das Präsidium nach der gestrigen Ordensverleihung zu einer eigens einberufenen Sitzung. Das Ansinnen Littmanns, der zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen war, sorgt auch bei den Kollegen für Wirbel. Das Ergebnis: Der ursprünglich für morgen geplante öffentliche Rücktritt ist um zwei Wochen aufgeschoben. "Ich hätte das Jahr nicht besser inszenieren können", hatte er nach dem 4:1-Aufstiegssieg in Fürth gesagt. 16 Tage später hat er noch einmal selbst Hand angelegt. Der Dramaturg inszeniert seinen letzten Akt.