Beim 1:3 in Augsburg zeigte sich der HSV von allen guten Geistern verlassen. Im Phrasen dreschen sind die Profis des Noch-Bundesliga-Dinos hingegen meisterlich.

Augsburg. Eines wird man, egal wo auch immer der HSV am Ende dieser Schreckenssaison landet, Mirko Slomka nicht nachsagen können: Dass der Trainer der Hamburger nicht alles versucht hat. Als Reisebegleitung für das vorletzte Auswärtsspiel beim FC Augsburg wählte Slomka einen gewissen Joseph Kuhnert aus Nürnberg, dessen berufliche Tätigkeit vom Boulevard mit „Geistheiler“ und „Bioenergetiker“ umschrieben wurde. „Bioenergetiker ist ein anerkannter Beruf, das ist ein Angebot der medizinischen Abteilung, wir wollen alle denkbaren Maßnahmen ausschöpfen, um den Spielern zu helfen“, sagte Slomka zu seinem Neuzugang. Dies allerdings sorgte dafür, dass der HSV im Internet sogleich zur Zielscheibe von spöttischen Kommentaren wurde („HSV von allen Geistern verlassen“). Zu einem kurzfristigen Energieschub konnte Kuhnert dem HSV am Sonntag aber nicht verhelfen. Nach dem 1:3 schwinden die Hoffnungen auf den Klassenerhalt. Am Sonnabend kommen die Bayern, dann geht es nach Mainz.

Am Vortag des Augsburg-Spiels hatten Team und Bioenergetiker noch im Raum Königsbrunn des Dorint-Hotels verfolgt, wie die Konkurrenz patzte: Sowohl Nürnberg (0:2 in Mainz) als auch Braunschweig (0:2 in Berlin) blieben punktlos, sodass klar war: Mit einem Sieg könnte sich der HSV von den direkten Abstiegsplätzen absetzen.

Die 5000 mitgereisten HSV-Fans staunten zunächst beim Verlesen der Aufstellungen: Nach dem 1:3 gegen Wolfsburg mussten die formschwachen Jacques Zoua und Petr Jiracek sowie Robert Tesche auf die Bank, dafür bekam neben den Rückkehrern Milan Badelj sowie Marcell Jansen auch der vom HSV-Nachwuchs rekrutierte Mattia Maggio, 20, erstmals eine Chance von Beginn an und sollte mithelfen, endlich den Auswärtsfluch zu vertreiben: Siebenmal hatte der HSV in Folge verloren, Slomka sogar elfmal (neunmal mit Hannover, viermal mit dem HSV).

Doch es dauerte keine zwei Minuten, bis die Hamburger Anhänger erstmals zittern mussten. Einen Schuss von Daniel Baier lenkte André Hahn fast zum 0:1 ins Tor von René Adler. Eine symbolhafte Aktion: Die Augsburger wirkten zu Beginn wacher, während der HSV zaghaft-zögerlich-ängstlich agierte. Das hatte Folgen: Nach einer Flanke von Hahn rutschte Heiko Westermann auf dem rutschigen Rasen weg, Milan Badelj hatte nicht aufgepasst, und Halil Altintop konnte aus 14 Metern zur Augsburger Führung einschießen (7.).

Der HSV brauchte lange, um sich von diesem ersten Schock zu erholen. Kaum einmal eine brauchbare Offensivaktion, viel zu schnelle Ballverluste. Erst nach Hakan Calhanoglus Freistoßversuch, den FC-Torwart Marwin Hitz gut parierte (18.), kamen die Gäste besser ins Spiel. Doch mitten die Drangperiode des HSV der zweite Schock: Wieder Flanke von rechts, diesmal von Hahn, und erneut stand Altintop völlig frei – 0:2 (32.). Als „schwerwiegende taktische Fehler“ bezeichnet Slomka nach dem Spiel die defensiven Blackouts. Und es kam noch schlimmer: Einen eher harmlosen Distanzschuss von Hahn rutschte Adler von den Handschuhen zum 0:3 ins rechte Eck (43.). „Es ist wie verhext“, sagte der Nationaltorhüter, der nur zu gerne die bösen Geister endlich vertreiben würde: „Man denkt da schon, dass man es mit höheren Mächten zu tun hat.“

Spott vom Augsburger Anhang

Ziemlich irdisch und vor allem mit Spott reagierten die Augsburger Anhänger, die sich noch Hoffnungen auf Europa-League-Platz sieben machen: „Zweite Liga, Hamburg ist dabei“, sangen die Fans. Doch kurz vor der Pause kehrte zumindest ein Hauch Hoffnung zurück, als Calhanoglus Freistoß – touchiert von Westermann – im rechten Eck einschlug. Nur noch 1:3 (45.).

Nach Wiederanpfiff jedoch wurde schnell klar, dass die Auswärtsmisere an diesem Tag kein Ende finden würde. Augsburg kontrollierte weitgehend die Partie, der HSV konnte so gut wie keine zwingenden Torchancen herausspielen. Nur nach einer Ecke von Calhanoglu kam Westermann zum Kopfball (61.). Drei Minuten später hätte Altintop mit seinem Kopfball aber alle Unklarheiten beseitigen können, doch er vergab.

„Wir wollen euch kämpfen sehen“, skandierten die anfangs noch so euphorischen HSV-Fans enttäuscht. Doch die Schlussoffensive blieb aus, der HSV schien sich in sein Schicksal zu ergeben und wies ein weiteres Mal nach, dass er viele Mängel hat, vor allem aber im Angriff. Da nützen alle Appelle, wie von Sportchef Oliver Kreuzer vor dem Spiel („Es geht ums Überleben“) nichts, wenn die Qualität fehlt.

„Wir haben die Schnauze voll“, verabschiedeten die frustrierten Fans ihr Team. Unterm Strich blieb die Erkenntnis: Mit nur elf Punkten ist der HSV die schlechteste Mannschaft der Rückrunde und muss befürchten, nach dem 33. Spieltag, eine Niederlage gegen die Münchner vorausgesetzt, auf einem direkten Abstiegsrang zu stehen, da Braunschweig (gegen Augsburg) und Nürnberg (gegen Hannover) lösbarere Aufgaben haben.

„Wir dürfen nicht hoffen, dass uns immer die anderen Clubs helfen“, sagte Tomas Rincon: „Wir müssen jetzt alle Männer sein und die Hosen anziehen.“ Verzweifelte Appelle, die allerdings nichts, aber auch gar nichts am Gesamteindruck ändern: Diesen HSV kann nur noch ein guter Geist retten.