Heung Min Son schoss seinen HSV bei Leverkusens 5:3 mit drei Treffern fast im Alleingang ab. Van Marwijk ärgert sich über Fehler-Festival. Heiko Westermann erwischte einen rabenschwarzen Tag.

Leverkusen/Hamburg. Diese Woche wird wieder mal so eine Woche sein, in der Heung Min Son ziemlich viel Zeit im Flugzeug verbringen wird. Bereits am Sonntag, einen Tag nach dem spektakulären 5:3-Sieg Leverkusens gegen den HSV, flog der Südkoreaner in die Heimat, wo er am Freitag auf die Nationalmannschaft der Schweiz trifft. Dann sei er noch „irgendwann für fünf Tage in Dubai“, wie er am Sonnabend etwas unsicher orakelte. Und am 19. November trifft er auch noch auf Russland. „Ich weiß gar nicht so genau, wann ich wieder zurückkomme“, sagte der 21 Jahre alte Leverkusener, der in luftiger Höhe zumindest etwas Zeit zum Nachdenken bekommen dürfte.

„Ich bin richtig happy, aber irgendwie auch traurig. Ich muss wohl über das alles erst mal in Ruhe nachdenken“, sagte Son am Sonnabend, kurz nachdem er seinen neuen Club aus Leverkusen mit drei herrlichen Toren zum 5:3-Sieg geschossen und dabei ganz nebenbei seinen alten Club aus Hamburg in sämtliche Einzelteile zerlegt hatte. „Als die Zuschauer meinen Namen riefen, habe ich eine Gänsehaut bekommen“, sagte der frühere HSV-Torjäger, der sich nicht nur über den ersten Dreierpack seiner Karriere freuen durfte, sondern sogar der erste Koreaner überhaupt war, der in der Bundesliga in nur einem Spiel drei Tore erzielte.

„Sonny hat gezeigt, dass er ein guter und wichtiger Spieler für uns ist“, lobte Bayer-Trainer Sami Hyypiä, der den zuvor drei Monate lang glücklosen Stürmer zuletzt sogar noch starkreden musste: „Er brauchte einfach einen freien Kopf, er musste locker werden.“ Wie recht Hyypiä doch hatte, wurde in den vorangegangenen 90 Minuten überdeutlich. Nach seinem erstem Treffer, als er Gegenspieler Heiko Westermann wie eines dieser rot-weiß gestreiften Hütchen umkurvt hatte (10.), war Son nicht mehr zu bändigen. Beim zweiten Geniestreich lief er im Sprint mit Ball am Fuß Westermann und Jonathan Tah davon, umdribbelte Torhüter René Adler und schoss zum 2:0 (16.) ein. Und als das Spiel nach den HSV-Toren von Maxi Beister (23.) und Pierre-Michel Lasogga (49.) gerade wieder spannend wurde, nahm er zur Abwechslung mal nicht seinen linken, sondern seinen rechten Fuß und zirkelte den Ball zum 3:2 ins Tor (54.). „Ich bin mit einem Lächeln auf den Platz gegangen und wollte viel Spaß haben. Das hat ganz gut geklappt“, untertrieb Son nach dem denkwürdigen Spiel maßlos.

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Denkwürdig war die Partie auch aus Hamburger Sicht – allerdings im negativen Sinne. „Ich habe so etwas in meiner Laufbahn noch nicht erlebt“, sagte Trainer Bert van Marwijk, der aber nicht Sons drei Tore, sondern das Fehler-Festival seiner Mannschaft meinte. „Man muss mal die Spieler fragen, warum sie einen einfachen Ball nicht über fünf Meter in den Fuß spielen können“, ärgerte sich Sportchef Oliver Kreuzer, der das gesamte Spiel in nur wenigen Worten treffend zusammenfasste: „Wir haben den Ball, Fehlpass, bumm, Tor.“

Rafael van der Vaart bezeichnete den fehlerhaften Auftritt seiner Mannschaft gar als „Kindergartenfußball“ und lag mit seiner Einschätzung gar nicht mal so falsch. Waren es noch vor einer Woche beim 0:2 gegen Gladbach zwei individuelle Fehler Lasse Sobiechs gewesen, die das Spiel entschieden hatten, war es in Leverkusen gleich ein ganzes Dutzend von Unzulänglichkeiten. Vor dem 0:1 patzte Hakan Calhanoglu, beim 0:2 nutzte Son eine verunglückte Kopfballabwehr Sobiechs aus, dessen Rücken ungewollt auch das 2:3 vorbereitete. Das 2:4 leitete der acht Minuten zuvor eingewechselte Ivo Ilicevic ein, ehe sich auch noch Adler beim 3:5 nicht entscheiden konnte, ob er rauslaufen sollte oder nicht. „Es waren wieder mal eklatante Fehler“, sagte Kreuzer, „so was ist untrainierbar.“

Nach nun insgesamt 29 Gegentoren, natürlich den meisten der Liga, muss sich Trainer Bert van Marwijk aber dennoch möglichst schnell überlegen, wo er den Hebel anzusetzen hat. Der HSV steht auf Rang 14, also genau in der gleichen Tabellenregion wie vor dem Trainerwechsel. Eine nachhaltige Entwicklung des Teams ist lediglich im marginalen Bereich zu erkennen. Tatsächlich spielt der HSV sehr gefällig nach vorne, was van Marwijk zufrieden als „Fußball spielen“ bezeichnet. Weniger zufrieden ist der Niederländer dagegen mit der Defensive, deren Stabilität er gleich zu Anfang seiner Amtszeit noch zur Chefsache erklärt hatte. „Derartige Fehler sind für mich nur schwer zu akzeptieren“, sagte van Marwijk, als zeitgleich der von Journalisten umrundete Matchwinner Son noch immer seinen Traumauftritt erklären musste.

„Im Herzen bin ich noch immer ein HSV-Fan“, sagte der Südkoreaner, ehe er sich in die Höhle des Löwen zum Trikottausch mit Tolgay Arslan in die Hamburger Mannschaftskabine wagte: „Der HSV ist doch wie eine Familie.“