Trotz der Topgegner drohen dem HSV die Zuschauer davonzulaufen. Vorstand Joachim Hilke beklagt eine Bayernisierung der Liga.

Hamburg. Die Vorbereitungen für die illustren Gäste aus Bella Italia im Hotel Elysée liefen bereits seit Tagen auf Hochtouren. Sogar ein detaillierter Ernährungsplan wurde zwischen den Teambetreuern von Inter Mailand, dessen Entourage am späten Freitagnachmittag in Fuhlsbüttel gelandet war, und den Küchenchefs des Hotels abgesprochen. Einen Tag vor dem Freundschaftsspiel zwischen dem HSV und dem 18-maligen italienischen Meister (Sonnabend, 15.30 Uhr, Sport 1 und Liveticker auf abendblatt.de) wurden verabredungsgemäß Kohlenhydrate satt, mageres Fleisch und natürlich Salat serviert. „Auch für uns als Grand Elysée Hamburg ist es selbstverständlich etwas Besonderes, Inter Mailand als Gast begrüßen zu dürfen“, sagte Hotel-Mitarbeiterin Christina Schreiner.

Im Elysée und auch beim HSV freut man sich also auf Inter Mailand – im Rest von Hamburg ist von einer angemessenen Vorfreude auf die Bundesliga-Generalprobe dagegen wenig zu spüren. Gerade mal 22.000 Zuschauer haben sich im Vorverkauf ein Ticket für das Prestigeduell gegen den dreimaligen Champions-League-Sieger gesichert, was auch Marketing-Vorstand Joachim Hilke überrascht hat: „Bei so einem Topgegner hätten wir uns natürlich über ein etwas größeres Interesse gefreut.“ Der Verein hatte mit mehr als 30.000 Fans gerechnet, hofft nun durch den Verkauf an den Tageskassen zumindest noch auf rund 25.000 Zuschauer. Nachdem bereits beim Nord-Cup vor zwei Wochen an zwei Tagen insgesamt nur knapp 28.000 Interessierte ins Stadion kamen, begibt man sich beim HSV nun auf die Suche nach Gründen.

Einen Schuldigen hat Hilke relativ schnell gefunden: die Bayern. „Es ist ein Phänomen in diesem Sommer, dass Freundschaftsspiele von Bundesligaclubs mit mutmaßlichen Topgegnern schlecht besucht werden. Die einzige Ausnahme ist Bayern, auf das sich das öffentliche Interesse fokussiert“, sagt Hilke, der vor einer Bayernisierung der Liga warnt: „Selbstverständlich haben sich die Münchner diese Vormachtstellung verdient, aber ob diese Konzentrierung für die Bundesliga gesund ist, halte ich für fraglich.“

Was im ersten Moment wie eine Ausrede klingen mag, ist bei genauerer Betrachtung eine durchaus schlüssige Erklärung. Tatsächlich waren nahezu sämtliche Bayern-Testspiele in diesem Sommer überdurchschnittlich gut besucht. So waren sowohl die Spiele gegen Topgegner wie den FC Barcelona mit 71.000 Zuschauern ausverkauft als auch die Partien gegen kleinere Vereine wie Drittligaclub Hansa Rostock oder sogar Regionalligaclub SG Sonnenhof Großaspach. Die Freundschaftsspiele anderer Teams gegen vielversprechende Gegner waren ähnlich schlecht besucht wie die des HSV. So kamen bei Karlsruhes 2:1-Sieg gegen Valencia gerade mal 10.117 Fans, Hannovers 0:3-Niederlage gegen den PSV Eindhoven wollten 13.200 Zuschauer sehen und nur 9104 von möglichen 54.600 Fans besuchten Düsseldorfs überraschenden 3:2-Erfolg gegen den AS Monaco.

„Der Wettbewerb wird durch die Bayern-Zentralisierung sicherlich nicht gestärkt“, sagt Hilke, der sogar vom früheren Münchner Doublesieger Felix Magath unterstützt wird. „Die Bundesliga hat in der Vergangenheit ihre Stärke daraus gezogen, dass sie ausgeglichener war als andere europäische Spitzenligen. Mit dieser Ausgeglichenheit ist es vorbei“, mahnte Magath in einem Abendblatt-Interview. „Die Bayern werden in dieser Bundesligasaison wahrscheinlich kein Spiel verlieren. Und ein Ende ihrer Dominanz ist nicht abzusehen. Das ist auf Dauer ungesund, auch für die Bayern“, sagte Magath.

Trotz des geringen Zuschauerinteresses ist Hilke aber dennoch davon überzeugt, dass es richtig war, Mailand nach Hamburg zu holen. „Trotz eher geringer Einnahmen macht so ein Spiel natürlich Sinn – vor allem sportlich. Es ist ein ernst zu nehmender Härtetest für unsere Mannschaft“, sagt Hilke, der zudem darauf verweist, dass das wirtschaftliche Risiko des HSV überschaubar sei. Anders als im Vorjahr der FC Barcelona, der ohne Lionel Messi die vertraglich fixierte Summe von 800.000 Euro für den Tagesausflug nach Hamburg erhielt, ist Inter Mailands Auflaufhonorar an die Zuschauerzahl gekoppelt. Kommen wenige Fans, erhält auch Inter nur wenig Geld. Reichlich Pasta, das garantieren die Küchenchefs vom Elysée, soll es aber unabhängig vom Interesse der Fans geben.