Die HSV-Spieler laden die Fans nach dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf zum Grillen ein. Clubchef Carl Jarchow kündigt personelle Konsequenzen an.

Hamburg. Wie versucht man eine 2:9-Niederlage zu verdauen? Zum Beispiel mit Bewegung. Wer am Ostermontag ein Fitnessstudio in Eimsbüttel besuchte, konnte dort Heung Min Son und dessen Vater beim Seilspringen beobachten. Übliche Routine, Son ist häufig dort anzutreffen. Nur das fröhliche Lächeln im Gesicht des Koreaners suchte man vergeblich. Auf dem Rasenplatz neben der HSV-Arena werden sich die Spieler nach dem trainingsfreien Montag erst heute zusammenfinden.

Am Sonntagmittag hatte der Trainer seine Mannschaft zur Krisensitzung gebeten. Er sprach die Fehler an und kritisierte das Fehlverhalten: "Die Bayern haben uns nach allen Regeln der Kunst hergespielt. Das Zweikampfverhalten war katastrophal, wir standen immer zu weit weg vom Mann." Seinen Spielern empfahl er dringend, die Klappe zu halten: "Keiner sollte mit Steinen werfen, wenn er im Glashaus sitzt, stattdessen ruhig sein und beim nächsten Spiel zeigen, was die Fans erwarten."

Bereits direkt nach der Partie in München war abgesprochen worden, dass von der Mannschaft nur Heiko Westermann in der Mixed-Zone reden soll, der harte Worte für das Versagen fand: "Jeder, der jetzt noch denkt, dass das genug war, soll von mir aus in die Dritte Liga oder sonst wo hingehen, aber für den HSV war das zu wenig. Das war Wahnsinn! Als ob es ein Trainingsspiel gewesen sei, und morgen schauen wir mal, wie es weitergeht."

Am Sonntagmittag sprach dann René Adler, immer noch fassungslos ob des seelenlosen Auftritts. "Wir haben nach dem frühen Rückstand Moral und Charakter komplett vermissen lassen, sonst lässt man sich nicht so abschlachten." Natürlich habe das Gründe, so Adler: "Aber welche das sind, kann ich jetzt noch nicht sagen. Die Aufarbeitung fängt jetzt in der Woche an. Wir haben keine Zeit, uns hängen zu lassen." Kurioserweise könnte der HSV mit einem Sieg gegen Freiburg weiter im Kampf um die Europa League mitmischen. Bis zum Sonnabend will der HSV die Spieler, die das 2:9 verschuldet haben, aus der Öffentlichkeit nehmen.

Doch den Spielern ist klar, dass dieses Debakel mit einem 1:0 oder 2:1 am kommenden Spieltag nicht auszulöschen ist. "Wir haben uns innerhalb der Mannschaft Gedanken gemacht und beschlossen, dass wir nach dem Düsseldorf-Spiel (20. April, d. Red.) Rede und Antwort stehen wollen", sagte Adler. "Überlegungen, etwas für die Fans zu kaufen, haben wir verworfen. Besser ist es in meinen Augen, den Austausch zu suchen und sich auch beschimpfen zu lassen, wenn es sein muss." Geplant ist, für die HSV-Anhänger in der Buseinfahrt zu grillen, wobei die Mannschaft sämtliche Kosten für Bratwürste und Getränke übernehmen wird.

Um für bessere Stimmung zu sorgen, wäre wohl auch eine Einladung an den Vorstand angemessen. Der Clubvorsitzende Carl Jarchow fand am Sonntag klare Worte für die Darbietungen, die an Arbeitsverweigerung grenzten: "Ich schäme mich, das war einer Bundesliga-Mannschaft unwürdig." Der HSV-Chef vermutete, dass ein Hauptgrund für die Minusleistung in der Mentalität zu suchen ist und kündigte indirekt personelle Konsequenzen an: "Aus diesem Spiel werden wir sicher unsere Schlüsse ziehen und die werden uns sicher auch beeinflussen beim Fazit am Ende der Saison."

Klar ist, dass der HSV dringend einen Innenverteidiger von internationalem Format sucht. Die Zukunft des vom FC Chelsea ausgeliehenen Jeffrey Bruma dürfte am Ende dieser Saison überall liegen - nur nicht in Hamburg. Doch auch im Mittelfeld besteht weiter akuter Handlungsbedarf. Milan Badelj, im Sommer für 4,5 Millionen Euro verpflichtet, besticht vor allem durch seine schwankenden Leistungen und weniger durch seine Wettkampfhärte. Bei Rückschlägen ist der Kroate niemand, der Führungsaufgaben übernimmt. Enttäuschend allerdings auch, wie der aus dem linken Mittelfeld zurückbeorderte Dennis Aogo mit unterging. Gerade (ehemalige) Nationalspieler wie er sind es, die in kritischen Phasen gefordert sind.

Vorerst keine Auswirkungen muss Fink befürchten. Auf die berühmte "Trainer-Frage", die sich nach so einem blamablen Auftritt zwangsläufig stellt, war Jarchow vorbereitet und teilte mit, dass Fink das Vertrauen des Vorstands genieße und auch gegen Freiburg auf der Bank sitzen werde.

Doch Fink und auch Sportchef Frank Arnesen stehen unter Beobachtung. Erst vor wenigen Tagen hatte Aufsichtsratschef Manfred Ertel beklagt, dass ihm der mentale Kick fehle, alles für den Sieg zu geben. Die Clubfunktionäre haben, sollte das intern klar definierte Ziel Europa League verpasst werden, zwei Ansatzmöglichkeiten. Erstens: Dem Team fehlen erfolgshungrige Spieler. Zweitens: Dem Funktionsteam, und dazu gehört Arnesen, gelingt es nicht, das Potenzial abzurufen.