Der HSV-Klubchef spricht im Abendblatt-Interview über mögliche Transfers im Winter, die Trainersuche und die Beschwerde des Klubs bei der DFL.

Hamburg. Carl-Edgar Jarchow ist verschnupft - über das Vorgehen der Deutschen Fußball-Liga bezüglich der Fristverlängerung im Fall Rodolfo Cardoso, aber auch tatsächlich. Energiegeladen wirkt der HSV-Vorsitzende dennoch im Abendblatt-Gespräch.

Hamburger Abendblatt: Herr Jarchow, warum dauert die Trainersuche so lange?

Carl-Edgar Jarchow: Das hängt in erster Linie damit zusammen, dass das Angebot an guten Trainern auf dem Markt, die sofort verfügbar sind, einfach sehr begrenzt ist. Zweitens wollen wir eine Lösung, von der wir hundertprozentig überzeugt sind. Die Suche gestaltet sich schwierig, vor allem wenn man mit Leuten redet, die sich noch in einem festen Anstellungsverhältnis befinden.

Wollen Sie mit der Beschwerde bei der Deutschen Fußball-Liga Zeit gewinnen?

Jarchow: Die Beschwerde hat einfach mit der Verärgerung darüber zu tun, wie sich die DFL so verhält. Wir hätten eine Scheinlösung hinlegen können, haben aber mit sehr offenen Karten gespielt und gesagt: Rodolfo macht das für einen Übergangszeitraum und wird sich zum nächsten Fußballlehrerkurs anmelden. Wir bitten nur um etwas mehr als 15 Tage Zeit. Weil man das abgelehnt hat, legen wir Beschwerde ein. Wir glauben, dass das keine besonders angemessene Behandlung der DFL war.

Könnte sich der HSV grundsätzlich nach einem Sportchef auch einen Trainer leisten, der die Bundesliga nicht kennt?

Jarchow: Es hat sich nichts daran geändert, dass wir jemanden suchen, der die Bundesliga kennt, deutsch spricht und über eine gewisse Erfahrung verfügt.

Wagen Sie eine Prognose, wann weiße Wolken über der Arena aufsteigen?

Jarchow: Ob es noch eine Woche dauert oder zwei, kann ich nicht sagen. Jeder findet, dass es lange bei uns mit der Trainersuche dauert. Wir haben uns vor gut zwei Wochen von Michael Oenning getrennt und vorher alles versucht, um die Zusammenarbeit mit ihm möglichst lange zu gestalten, demzufolge auch nie mit anderen Trainern geredet. Jetzt geht es um die Lösung, hinter der wir alle stehen, besonders der Sportchef.

Eilt nicht die Zeit angesichts Platz 18?

Jarchow: In den Länderspielwochen passiert nicht viel, viele Spieler sind unterwegs. Und gerade weil die Lage ernst ist, müssen wir uns darauf konzentrieren, eine längerfristige Lösung zu finden. Es ist zudem ja nicht so, dass wir mit Cardoso in den vergangenen Spielen schlechter gespielt haben. Wir haben für den Moment ein Team, das die kommenden Aufgaben gut lösen kann.

Ist die Mannschaft gut genug, sich aus dem Abstiegskampf befreien zu können?

Jarchow: Die Mannschaft ist besser als der Tabellenplatz. Das sehe ich noch immer so. Man muss aber natürlich aus der Mannschaft das Optimum rausholen, was in den ersten Spielen überhaupt nicht gelungen ist. In erster Linie sind unsere etablierten Spieler nicht so vorangegangen wie gewünscht.

War es rückblickend ein Fehler, sich von so vielen Stammspielern zu trennen?

Jarchow: Bei den meisten Spielern war es gar keine Frage, ob wir wollen oder nicht, da liefen die Verträge aus, sie wollten weg oder waren sehr teuer. Jener Einschnitt war nicht zu vermeiden. Wenn man über einzelne Spieler reden will: Frank Rost geht auf die 40 zu. Dass man da nicht mehr verlängern wollte, kann ich nachvollziehen. Wenn man unten steht, kommen immer einige, die sagen: Mit dem oder dem Spieler wäre das nicht passiert. Beweisen kann man es nicht. Damit muss man leben.

Sollten Sie merken, dass im Kader noch nachgebessert werden muss: Könnte der HSV im Winter reagieren, sind Sie handlungsfähig?

Jarchow: Keine Sorge, das sind wir. Wir haben uns durch den Verkauf von Eljero Elia und die Trennung von gut besoldeten Spielern wie Guy Demel ganz bewusst einen Spielraum verschafft, der uns in die Situation bringt, dass wir in der Transferperiode im Januar noch reagieren könnten.

Sie selbst wurden schon als ahnungslos bezeichnet, was sich auf Ihre sportliche Kompetenz bezog. Nervt das?

Jarchow: An das "ahnungslos" habe ich mich gewöhnt. Ich gehörte ja früher drei Jahre dem Aufsichtsrat an. Wenn es in dieser Zeit sportlich mal nicht lief, wurden wir gerne als Klub der Ahnungslosen bezeichnet. Das härtet ab. In Zeiten, in den es sportlich nicht läuft, muss man wahrscheinlich mit solchen Dingen leben. Allerdings neige ich nicht dazu, so etwas ernst zu nehmen.

Trotzdem könnte man die These vertreten, Arnesen habe zu wenige Mitspieler.

Jarchow: Das kann ich nicht nachvollziehen. Arnesen hat als erfahrener Manager um sich ein Team von Leuten mit sportlicher Kompetenz. Ich glaube auch nicht, dass der Vorsitzende des Vorstands unbedingt in der Bundesliga gespielt haben muss, um einen guten Job machen zu können.