Bei der unglücklichen 1:2-Niederlage gegen Schalke 04 bestätigt der HSV seinen Formanstieg, verharrt aber auf dem letzten Tabellenplatz.

Hamburg. Von den eigenen Fans gab's zum Abschied aufmunternden, anerkennenden Applaus - und vom Sieger eine Extraportion Trost. "Es tut mir leid für den HSV. Aber so, wie sie gespielt haben, kommen sie da unten wieder raus", sagte Huub Stevens nach dem 2:1-Erfolg seiner Schalker, stand auf und umarmte fast väterlich erst HSV-Pressesprecher Jörn Wolf und dann noch Interimstrainer Rodolfo Cardoso, der danach aussah, als ob er alles gebrauchen könne. Nur nicht Mitleid.

Wieder verloren, schon zum sechsten Mal. Wer glaubte, nach dem überraschenden 2:1-Erfolg beim VfB Stuttgart vor einer Woche sei das Schlimmste überstanden, sah sich getäuscht. Gäbe es die Kategorie "beste Niederlage", wäre der Auftritt des HSV am Sonntag fest nominiert. Doch trotz einer deutlichen Leistungssteigerung gegenüber dem letzten Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (0:1) steckt der Bundesliga-Tabellenletzte weiter in einer Ergebniskrise. "Wir haben Schalke über weite Strecken des Spiels dominiert und ein ganz anderes Gesicht gezeigt als zuletzt", ärgerte sich Mladen Petric über die unnötige Niederlage, während Dennis Aogo haderte: "Eigentlich will ich diese Niederlage gar nicht erklären. Wir haben schon oft ordentlich gespielt, gekämpft und gefightet, stehen dann aber doch wieder mit leeren Händen da. Ich hätte gerne mal ein Spiel, wo wir scheiße spielen, aber gewinnen."

Anders als gegen Mönchengladbach (0:1) trat der HSV viel mutiger nach vorne und insgesamt leidenschaftlicher als unter dem geschassten Trainer Michael Oenning auf, was als Lob für die Arbeit von Cardoso, aber auch hinsichtlich des Charakters der bisher eher leblosen HSV-Mannschaft verstanden werden kann. Vor allem in den 20 Minuten nach der Pause erfreuten die Hamburger ihren Anhang mit druckvollem Spiel, obwohl die letzte Konsequenz vor dem gegnerischen Tor fehlte. Folgerichtig klammerte sich Sportchef Frank Arnesen, wie von Stevens gefordert, an das Prinzip Hoffnung und richtete den Fokus auf die Zukunft, als er versicherte: "Ich bleibe dabei, dass wir einen Kader beisammenhaben, der besser als Platz 18 ist."

Dass sich die Fans darauf einrichten müssen, dass in Hamburg nicht nur die Suche nach einem Sportchef oder Trainer traditionell länger dauert, sondern auch die Befreiung aus dem Abstiegskampf, ist offensichtlich. Die unterhaltsamen Offensivausflüge eines Gökhan Töre dürfen nicht den Blick auf dessen Defensivschwächen vernebeln. Bei beiden Gegentoren durch Klaas-Jan Huntelaar konnte der 19-Jährige zuvor nicht die Flanken von Marco Höger und Christan Fuchs verhindern.

Dem Deutschtürken allein die Schuld an der Niederlage zu geben wäre jedoch falsch. Vielmehr zeigte sich gegen Schalke zum wiederholten Male, dass der HSV 2011 eben keine homogene, eingespielte Einheit ist, sondern ein sich entwickelndes Projektteam, das auf seinem Weg Fehler macht, sei es in der Defensivarbeit, sei es in der Offensive, wobei vor allem Paolo Guerrero negativ in Erscheinung trat.

Dass die früher schon bei anderen Klubs zu beobachtende Argumentationslinie, man sei ja im Grunde viel zu stark, um abzusteigen, ein Verfallsdatum hat, dürfte aber auch Arnesen bewusst sein, vor allem beim Blick auf den kommenden Spieltag nach der Länderspielpause. In Freiburg steht der HSV am 16. Oktober gegen einen direkten Konkurrenten enorm unter Druck, nicht nur gute Haltungsnoten einzuheimsen, sondern auch Punkte. Ob die sich ankündigende Entscheidung in der Trainerfrage - bei der Partie im Breisgau soll der Neue auf der Bank sitzen (siehe Bericht S. 22) - für einen kurzfristigen Aufschwung sorgt, ist völlig offen, schließlich benötigt jeder Fußballlehrer eine gewisse Eingewöhnungszeit - außer vielleicht Stevens, der mit Schalke in der Europa League und in der Liga auf Anhieb reüssierte.

Erschwerend kommt hinzu, dass in den kommenden zwei Wochen etliche Nationalspieler auf Reisen sind, wodurch Abstimmungsprobleme kaum abgearbeitet werden können. So fehlt es dem HSV in diesen Wochen am Wichtigsten, um schnell in die Erfolgsspur zu gelangen: an Ruhe und Konstanz.