Cardoso fiebert seinem Heimdebüt als HSV-Cheftrainer entgegen. Aber alle reden über einen möglichen Nachfolger - Moniz bestätigt Gespräche.

Hamburg. Wie wenig Zeit manchmal zwischen Gegenwart und Vergangenheit liegt, konnten aufmerksame Beobachter besonders gut am Freitagmittag auf dem Parkplatz vor der Geschäftsstelle des HSV bestaunen. So kam Interimstrainer Rodolfo Cardoso (Gegenwart) nur wenige Minuten vor Ex-Trainer Michael Oenning (Vergangenheit) am Stadion vorgefahren. Oenning wollte den herrlichen Spätsommertag nutzen, um einerseits seinen Dienstwagen abzugeben und sich andererseits in aller Form von Vorstand und Mannschaft zu verabschieden. Viel Zeit blieb aber nicht, schließlich musste Nachfolger Cardoso das Spiel am Sonntag gegen Schalke (17.30 Uhr/Sky und abendblatt.de), also die unmittelbare Zukunft, ganz mittelbar vorbereiten.

Ob Cardosos erstes Heimspiel als Cheftrainer des HSV gleichzeitig auch sein vorerst letzter Einsatz in dieser Position sein wird, dürfte sich allerdings erst in der kommenden Woche entscheiden. Fast täglich sind Sportchef Frank Arnesen und Vorstandskollege Joachim Hilke mit den Entscheidungsträgern der Deutschen Fußball-Liga DFL in Gesprächen über eine mögliche Verlängerung der 15-Tage-Frist, die Cardoso laut Statuten auch ohne Lizenz als Cheftrainer arbeiten darf. Eine schriftliche Begründung hatte Hilke bereits Mitte der Woche an die DFL-Zentrale nach Frankfurt am Main geschickt. Eine offizielle Antwort ist beim HSV zwar noch nicht eingegangen, inoffiziell deuteten die DFL-Verantwortlichen aber an, dass man einer kurzzeitigen Fristverlängerung nicht im Wege stehen würde. Langfristig wird es für Cardoso aber keine Ausnahme geben.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein neuer Cheftrainer bereits nach der Länderspielpause beim Auswärtsspiel der Hamburger in Freiburg auf der HSV-Bank sitzen wird, dürfte somit ähnlich hoch wie die Temperaturen am Freitag sein. Nur die Frage nach dem Wer wurde noch immer nicht beantwortet. Neben Favorit Morten Olsen, dessen langfristige Zukunft als Dänemarks Nationaltrainer unmittelbar mit den kurzfristigen Ergebnissen der EM-Qualifikationsspielen zusammenhängt, gilt neuerdings auch der frühere HSV-Trainer Ricardo Moniz als aussichtsreicher Kandidat (das Abendblatt berichtete). "Nicht ich bin auf den HSV zugegangen, sondern der HSV auf mich", bestätigte Moniz erste Gespräche mit Arnesen, deren Ende offen ist. Im Gespräch mit dem Abendblatt betonte der frühere Techniktrainer des HSV aber auch seine grundsätzliche Loyalität gegenüber seinen jeweiligen Arbeitgebern: "Es besteht Interesse, aber meine Arbeit habe ich in Salzburg." Der Haken an der Geschichte: Moniz hat einen bis Juni 2013 laufenden Vertrag bei Österreichs aktuellem Tabellenführer, würde also Ablöse kosten.

Der Niederländer wäre allerdings nicht der erste Trainer, für den der HSV eine Ablöse zahlt. Stolze 1,5 Millionen Mark waren dem HSV die Dienste des Österreichers Kurt Jara vor ziemlich genau zehn Jahren wert. Erst nach wochenlangem Tauziehen mit dem FC Tirol Innsbruck hatten sich die Klubs auf diese Summe geeinigt, die bei Erreichen des Uefa-Cups jährlich um 500 000 Mark (300 000 Mark vom HSV, 200 000 Mark von Jara) aufgestockt werden sollte. Noch teurer war nur die Verpflichtung Bruno Labbadias, die den HSV sogar 1,5 Millionen Euro Ablöse kostete. Kurios: Obwohl der HSV Labbadia bereits vor anderthalb Jahren entlassen hatte, muss der HSV immer noch eine letzte Rate von 500 000 Euro an Bayer Leverkusen überweisen.

"Ich finde es sehr gut, dass sich der HSV Zeit nimmt bei der Trainersuche. Für so einen Topverein brauchst du Stabilität", sagt Moniz, der kein Geheimnis aus seiner Sympathie für Arnesen macht: "Frank ist ein Top-Mann, ein absoluter Fußball-Fachmann. Ich habe immer gerne mit ihm zusammengearbeitet." Sollte es tatsächlich zu einer erneuten Zusammenarbeit der alten Weggefährten kommen, die sich bereits sehr erfolgreich in Eindhoven und bei Tottenham über den Weg gelaufen waren, dürfte im Übrigen ein weiteres Stück HSV-Vergangenheit davon profitieren. Denn in Salzburg wird spekuliert, ob der frühere Hamburger Nico Kovac bei einem Moniz-Wechsel zum HSV vom Co- zum Cheftrainer befördert wird.

Den gegensätzlichen Karriereweg soll Cardoso einschlagen, den Arnesen gerne als Co-Trainer bei den Profis halten würde. "Über alles, was die Zukunft betrifft, können wir noch in der kommenden Woche sprechen", zeigte sich der Argentinier gesprächsbereit, erinnerte am Freitag aber an eine fast vergessene Kleinigkeit: "Übrigens: Am Sonntag kommt Schalke."