Die Hamburger versuchen am heutigen Sonnabend im Heimspiel gegen Köln einen Neustart. Fußball-Legende Franz Beckenbauer ist skeptisch.

Hamburg. Und plötzlich kam die Sonne hervor. Zumindest deutete sie sich zwischen dem Außenbereich der Messehallen B1 und B7 in den knapp zehn Minuten, in denen Franz Beckenbauer zu Gast war, ganz kurz an. Fast schien es, als würde Franz Beckenbauer das Wetter bestimmen: Die Sonne kam mit ihm und sie verschwand wieder mit ihm. Allerdings erst, nachdem sich der 65-Jährige ausgiebig über den HSV geäußert hatte. Über den HSV, für den der heutige Ehrenpräsident des FC Bayern München zwischen 1980 und 1982 aktiv war - und um den er sich aktuell große Sorgen macht. "Der Verein ist mir ans Herz gewachsen. Es ist traurig, dass man sich hier selbst im Weg steht", sagt Beckenbauer, der sich als Botschafter der Erdinger-Brauerei auf der "Internorga" Zeit für das Abendblatt nahm.

Oenning verzichtet auf Jansen und Pitroipa

Der "Lichtgestalt" des deutschen Fußballs war der personelle Umbruch beim HSV im Vorstand und im Trainerstab nicht entgangen. Und während die Mannschaft vor dem wichtigen Heimspiel gegen den 1. FC Köln (Sa., 15.30 Uhr, Imtech-Arena) davon spricht, endlich wieder Ruhe im Verein zu erkennen und ungestört arbeiten zu können, ist Beckenbauer eher skeptisch. "Der Klub hat riesiges Potenzial. Nach dem FC Bayern das schönste Stadion und das beste Umfeld. Dieser Klub muss jedes Jahr international spielen", so Beckenbauer, der sich überraschend intensiv mit Interna des HSV zu beschäftigen scheint. "Der HSV braucht die Punkte gegen Köln dringend", so Beckenbauer, der die Umbesetzungen des Vorstandsbosses von Bernd Hoffmann zu Carl Edgar Jarchow und den Trainertausch von Armin Veh zu Michael Oenning als "eher motivierenden Faktor" sieht, den Klub dennoch weiter in einer tiefen Krise wähnt. Felix Magath, der am Freitag beim VfL Wolfsburg unterschrieb, wäre aus seiner Sicht sportlich eine Lösung gewesen. "Es liegt an der Struktur", so Beckenbauer, "früher haben drei Leute den Verein gelenkt, heute sind es etliche Gremien, in denen alle etwas zu sagen haben wollen. Je schlanker ein Unternehmen in der Spitze ist, desto größer sind die Aussichten auf Erfolg. Heute wollen zu viele Leute mitreden - und das ist beim HSV zum großen Problem geworden."

Eines, das sie in Hamburg gelöst haben wollen. Zumindest verspricht sich das der Aufsichtsrat von seinen jüngsten Personalentscheidungen und sucht in Ruhe nach einem neuen Vorstandsboss. Und während Noch-Sportchef Bastian Reinhardt die längst überfälligen Gespräche mit den Spielern, deren Verträge auslaufen, aufnimmt, setzt Neu-Trainer Michael Oenning auf den Effekt des Neubeginns gegen Köln. Dennis Diekmeier wird erstmals in dieser Saison als Rechtsverteidiger beginnen, Ruud van Nistelrooy feiert nach seiner Degradierung zum Reservisten in den letzten vier Spielen sein Startelf-Comeback. "Ein neuer Trainer gibt allen einen Schub", sagt Änis Ben-Hatira, der offensiv rechts beginnen soll, "man merkt, dass alle richtig heiß sind."

Auch Ruud van Nistelrooy? Für den Niederländer ist es zumindest die letzte große Chance, sich in Hamburg nach dem Ärger um seinen Wechsel zu Real Madrid im Winter und seinen anschließenden Minusleistungen doch noch mit positiven Eindrücken zu verabschieden. Und für den HSV die Chance, eine als verloren geltende Saison doch noch erfolgreich zu beenden? Beim HSV setzt man taktisch voll auf Offensive und glaubt daran. Und auch Beckenbauer hofft es für "seinen HSV", ist allerdings skeptisch: "Der HSV braucht jetzt Geduld. Im Moment liegt der Verein quasi in Trümmern. Da gibt es Sitzungen, und eine Stunde später ist alles öffentlich. Wie soll da Vertrauen aufkommen? Und wenn die entscheidenden Leute das Gefühl haben, nicht offen miteinander umgehen zu können, kannst den Laden auch gleich dichtmachen. Mehr als Daumendrücken kann ich nicht." Allerdings: Bei jemandem, der offensichtlich sogar das Wetter beeinflussen kann, sollte das eigentlich schon reichen, um gegen Köln einen Stimmungsumschwung zu schaffen.

HSV: Rost - Diekmeier, Kacar, Mathijsen, Aogo - Westermann - Ben-Hatira, Zé Roberto, Elia - van Nistelrooy, Petric.

Köln: Rensing - Brecko, Mohamad, Pezzoni, Eichner - Jajalo, Petit - Peszko, Podolski, Clemens - Novakovic