Der HSV-Vorsitzende Carl-Edgar Jarchow will kollegial führen und sich Rat von den Granden des Klubs holen. Natürlich auch von Uwe Seeler.

Hamburg. Alle Bilder an den Wänden sind abgehängt. Am Schreibtisch im ehemaligen Büro von Bernd Hoffmann nimmt der neue HSV-Vorsitzende Carl-Edgar Jarchow, 55, allerdings noch nicht Platz, weil sich dort noch einige persönliche Dinge des abgelösten HSV-Chefs befinden. Jarchows Unterlagen liegen auf dem großen Konferenztisch.

Abendblatt: Herr Jarchow, wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?

Carl-E. Jarchow: Als kollegial, wohl wissend, dass am Ende einer die Entscheidung treffen muss.

Haben Sie ein Leitmotiv?

Jarchow: Am wichtigsten ist mir das persönliche Verhältnis zu Menschen. Ich bin offen für Leute, solange ich das Gefühl habe, dass es auch erwidert wird.

Als erstes Ziel nannten Sie, Ruhe in den Klub bringen zu wollen Wie wollen Sie das schaffen?

Jarchow: Die Sache hat zwei Ebenen. Wenn ein langjähriger Vorstand geht, gibt es in einer Geschäftsstelle Unsicherheiten bei Mitarbeiten. Dort gilt es, Perspektiven zu entwickeln. Der Hauptgrund für Ruhe oder Unruhe in einem Bundesligaklub ist der sportliche Erfolg. In einer Phase wie dieser gegen Ende der Saison muss man dem Trainerteam wie auch der Mannschaft Unterstützung geben. Ich habe den Spielern gesagt: Wir stehen hinter euch und versuchen unser Bestes, eine vernünftige Atmosphäre seitens des HSV zu schaffen. Aber wir erwarten als Gegenleistung, dass man auf dem Platz alles versucht, was möglich ist. Da muss man eine engere persönliche Bindung herstellen. Ich werde es nicht mit dem Gespräch mit Herrn Oenning am Mittwoch gut sein lassen, sondern das sehr regelmäßig wiederholen.

Betrifft das auch die Spieler?

Jarchow: Natürlich. Wenn es Unzufriedenheit gibt, die ja in der Vergangenheit artikuliert wurde, erwarte ich, dass die Spieler das vorab mit mir besprechen. Die Möglichkeit haben sie. Die Spieler können hier jederzeit zur mir ins Büro reinmarschieren.

Lassen Sie mich mal ein bisschen spekulieren: Sie qualifizieren sich für die Europa League, und alle schreien: Jarchow muss bleiben! Machen Sie dann weiter?

Jarchow: Basis unserer Gespräche war von Anfang an nur eine kommissarische Lösung, damit der Aufsichtsrat in Ruhe nach einer endgültigen Lösung suchen kann. Mein Vertrag ist nicht auf den 30. Juni befristet. Wann mein Nachfolger seinen Dienst anfängt, erwarte ich mit großer Gelassenheit. Und übrigens: Wenn wir den Europacup noch schaffen, ist es mir völlig egal, was mit meinem Vertrag ist. Dann freue ich mich.

Wie läuft Ihre Arbeit praktisch ab? Führen Sie die Verhandlungen?

Jarchow: Die Verhandlungen mit Spielerberatern werde ich nicht alleine führen. Für den sportlichen Bereich ist derzeit Bastian Reinhardt zuständig, Frank Arnesen fängt am 1. Juli an. Wir werden das zusammen machen.

Wie stellen Sie sich die Arbeit im Aufsichtsrat vor? Helfen Sie bei der Suche nach Ihrem Nachfolger? Otto Rieckhoff hat gestern betont, dass es derzeit keine Kandidaten gibt, mit denen sich das Gremium befasst, auch nicht Björn Gulden oder Heribert Bruchhagen.

Jarchow: Nein, in diese Suche schalte ich mich in keiner Weise ein, das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe den Klub operativ zu führen und habe damit alle Hände voll zu tun.

Ein häufiger Kritikpunkt war die angeblich fehlende sportliche Kompetenz in der Führung. Was halten Sie von einem Expertenteam?

Jarchow: Von externen Beratern halte ich nichts. Ich bin dafür, den Sachverstand im Verein zu nutzen. Ich komme aus diesem Verein und bin der Meinung, dass man über Kompetenzen in verschiedenen Bereichen verfügt. Ich werde es aber sicher nicht versäumen, mich mit einigen Fußballern wie Uwe Seeler, Willi Schulz oder Horst Hrubesch zusammenzusetzen. Das muss ja keine fixierte oder benannte Expertengruppe sein.

Müsste nicht gerade Uwe Seeler, das große Idol des Klubs, prinzipiell mehr eingebunden werden?

Jarchow: Mir liegt viel daran, einen regelmäßigen Austausch zu Uwe Seeler zu haben. Er ist das Aushängeschild des HSV schlechthin. Es muss aber immer unsere Herausforderung sein, die aktuellen Spieler des Vereins zu stärken und zu fördern.