Nur mit einem Sieg gegen Bremen kann der HSV-Trainer sich und die Saison retten

Hamburg. Definitiv. So schlecht drauf wie an diesem Freitagnachmittag war Armin Veh noch nie, seit er im Sommer 2010 mit großen Erwartungen sein Amt als HSV-Trainer antrat. Mit dunklen Augenrändern ließ der 50-Jährige von der ersten Minute an keinen Zweifel aufkommen, dass er dieses Mal keine Lust haben würde, eine Plauderstunde, garniert mit Anekdötchen aus seiner an Erfahrungen reichen Vergangenheit, abzuhalten. "Ich möchte heute nicht viel reden, es gibt nicht viel zu sagen", murmelte Veh. "Wichtig ist, dass wir auf dem Platz etwas zeigen und das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Das ist mein Statement heute."

Natürlich beließ es Veh dann - gezwungenermaßen - nicht bei diesen schmalen Sätzen. Er schilderte, dass seit der 0:1-Schmach am Mittwochabend gegen den FC St. Pauli kaum an Schlaf zu denken gewesen wäre. "Ja, diese Niederlage hat richtig geschmerzt." Und weiter: "Aber ich kann ja nicht den Kopf unten tragen und dann verlangen, dass wir gegen Werder Bremen wieder positiv auftreten."

Tapfer vorgetragene Worthülsen, mehr nicht. Schließlich ist Veh viel zu lange in diesem Geschäft, um nicht genau zu wissen, welche Maschinerie sich nach einer weiteren Enttäuschung gegen Werder Bremen in Bewegung setzen würde. Die Wechselstimmung an der Vereinsspitze, die bereits vor der Winterpause beim HSV eingesetzt hatte, war nach dem (punktemäßig) guten Start in die Bundesliga-Rückrunde zwar etwas abgeflaut, um aber nach dem Derby gegen St. Pauli wieder heftig an Fahrt aufzunehmen.

Niemand traut bei einem negativen Verlauf der Partie gegen Werder Bremen (Sonnabend, 15.30 Uhr, Abendblatt-Liveticker) Veh noch zu, die Saison zu retten. Zu der Überzeugung, dass er kein Typ Fußballlehrer ist, der mit einer längerfristigen Strategie die Mannschaft weiterentwickeln könnte, ist man intern schon längst gekommen. Rücktritt oder Rauswurf, das wäre dann am Sonntag nur noch die Frage. Die Vereinsführung steht extrem unter Druck, die Öffentlichkeit wieder zu besänftigen Nach dem St.-Pauli-Spiel hat der Fanbeauftragte Mike Lorenz geschildert, dass er noch nie solche negativen Reaktionen erlebt habe (siehe "Matz ab" unten). Zwar sind für die Begegnung 54 000 Tickets abgesetzt worden, doch es ist damit zu rechnen, dass viele Plätze frei bleiben. Diejenigen, die kommen werden, dürften eine äußerst gering ausgeprägte Geduld mitbringen, eine weitere Minusleistung zu ertragen.

Doch auch unabhängig vom Verlauf der Partie gegen den Nordrivalen ist der Klub ganz offensichtlich dabei, sich neu zu positionieren. So soll sich der Aufsichtsrat intensiv um eine Verpflichtung von Frank Arnesen bemühen, der noch beim FC Chelsea als Sportdirektor unter Vertrag steht (siehe Bericht unten). Was wiederum Auswirkungen auf die Zukunft von HSV-Vorstand Bastian Reinhardt und Veh haben dürfte.

Der Trainer ließ Fragen zu seiner persönlichen Zukunft gestern an sich abperlen: "Darüber mache ich mir keine Gedanken, es geht hier nicht um Armin Veh, sondern um den HSV. Ich möchte erfolgreich sein und das Beste dafür geben. Mehr kann ich nicht tun." Und auch zu dem möglichen Unmut der Anhänger mochte er sich nicht äußern: "Der Auftrag eines Trainers ist es, die Mannschaft so vorzubereiten, dass sie Spiele gewinnen kann, da kann ich mich nicht mit Dingen beschäftigen, von denen ich nicht weiß, ob sie möglicherweise eintreten." Ein souveräner Umgang mit dieser schweren Krisensituation sieht anders aus, von positiver Ausstrahlung war beim HSV-Trainer ein Tag vor seinem persönlichen Endspiel wenig bis gar nichts zu spüren.

So war es Dennis Aogo, der, neben ihm sitzend, um die Unterstützung der Fans werben ("In guten wie in schlechten Zeiten") und die Verteidigung der Mannschaft ("Alle wollten doch, wir haben St. Pauli eine Stunde an die Wand gespielt") übernehmen musste. Doch auch der Linksverteidiger weiß, welch fatales Signal es wäre, würde ausgerechnet der HSV den Bremern, die mit nur einem Punkt Vorsprung auf Relegationsplatz 16 mitten im Abstiegskampf stecken, neues Leben einhauchen.

Eine Niederlage gegen Bremen würde den sowieso entstandenen Eindruck verstärken, dass der HSV nicht nur einen Umbruch, sondern einen Neuanfang braucht. Mit Verstärkungen im Vorstand, neuem Personal im Trainerstab und einem komplett neu strukturierten Kader. Aber selbst ein Remis oder ein knapper Sieg würde Veh & Co. nur einen zeitlich begrenzten Aufschub geben. Das nächste Endspiel könnte bald folgen.

HSV: Rost - Demel, Kacar, Mathijsen, Aogo - Westermann, Zé Roberto - Pitroipa, Son - Petric, Guerrero.

Werder Bremen: Mielitz - Fritz, Mertesacker, Prödl, Silvestre - Frings - Bargfrede, Hunt - Marin - Avdic, Arnautovic.

Schiedsrichter: Meyer (Burgdorf)