Nach dem 1:5 gegen den BVB wird beim HSV eine Duplizität der Ereignisse aus der Hinrunde befürchtet. Arnesen mahnt zur Besonnenheit.

Hamburg. Der Begriff des Déjà-vu ist in den endlosen Weiten des Internets relativ deutlich umschrieben. "Als Déjà-vu", so steht es beispielsweise im Online-Lexikon Wikipedia geschrieben, "bezeichnet man ein psychologisches Phänomen, das sich in dem Gefühl äußert, eine neue Situation schon einmal erlebt, gesehen oder geträumt zu haben." Trefflich streiten lässt sich somit über die Frage, ob auch die bittere 1:5-Niederlage des HSV gegen Borussia Dortmund am Sonntag als ein derartiges "Déjà-vu-Erlebnis" bezeichnet werden darf. Das subjektive Gefühl, genau diese aus Hamburger Sicht höchst bescheidene Situation schon einmal in der Hinrunde erlebt zu haben, ließ sich jedenfalls am regnerischen Morgen nach der Niederlage rund um den Volkspark nicht unterdrücken.

"Was heißt schon Déjà-vu?", fragte Heiko Westermann, der anlässlich der historischen Niederlage (die höchste Heimpleite seit 38 Jahren) die etwas rustikalere Wortwahl bevorzugte. "Wir haben richtig auf die Fresse bekommen. Wir haben es versaut, weil wir keinen Arsch in der Hose hatten", konstatierte der Kapitän, der sich aber beharrlich weigerte, die jetzige Situation mit dem Saisonstart vor fünf Monaten zu vergleichen. Damals ging der HSV ähnlich sang- und klanglos 1:3 in Dortmund unter, erkämpfte sich anschließend ein schmeichelhaftes 2:2-Remis gegen Hertha und verlor die folgenden vier Partien gegen Bayern (0:5), Köln (3:4), Bremen (0:2) und Gladbach (0:1). Es folgte, was immer im bezahlten Fußball nach derartigen Serien folgt: Trainer Michael Oenning musste gehen. "Man kann die Situationen von damals und heute nicht vergleichen. Diesmal waren wir eine Klasse schlechter als Dortmund. Aber ich bin mir sicher, dass wir am Sonnabend in Berlin unser wahres Gesicht zeigen", sagte Westermann, der aber genauso wenig wie seine Kollegen oder Trainer Thorsten Fink eine Erklärung für den fußballerischen Offenbarungseid anzubieten hatte.

+++ Fink beklagt fehlende Courage +++

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Wie unmittelbar nach dem Dortmund-Debakel am Sonntagabend angekündigt, führte Fink gestern Vormittag erste Einzelgespräche. Der enttäuschte Coach wollte herausfinden, warum seine Spieler "so überraschend mutlos" aufgetreten waren. Auf eine Videoanalyse verzichtete er dagegen bewusst. "Nach so einem Spiel braucht man nicht über taktische Defizite zu diskutieren", sagte auch Westermann, "bei uns wollte kein Spieler auf dem Platz den Ball haben. So kann man gegen Dortmund natürlich nicht gewinnen."

Die generelle Angst vor einem Rückfall in längst vergessene Zeiten war gestern Vormittag rund um die Imtech-Arena dennoch spürbar. Einige Kamerateams hatten sich bereits am frühen Morgen direkt vor dem Kabinentrakt aufgebaut, um die im Schneegestöber auslaufenden Fußballer passend abzulichten. Auch die dunklen Regenwolken wurden dankbar in den Beiträgen mit einbezogen. Lediglich Sportchef Frank Arnesen hatte keine Lust, bei der medialen Beschwörung des Weltuntergangs mitzumachen. "Wir müssen realistisch bleiben. Zuvor hatten wir neun Spiele in Folge nicht mehr verloren, diesmal haben wir 1:5 verloren. Mehr ist aber auch nicht passiert", sagte der Däne, der daran erinnerte, dass nach nur 90 Minuten nicht alles schlechtgemacht werden kann, was zuvor für gut befunden wurde.

Schenkt man den gut gemeinten Worten Arnesens Glauben, wird der HSV bereits am Sonnabend gegen Hertha beweisen, dass niemand ernsthaft ein Déjà-vu des Saisonstarts befürchten muss. "Wir müssen in Berlin besser spielen, und wir werden in Berlin besser spielen", sagte Arnesen, der sich direkt nach der Niederlage gegen Dortmund das Spiel noch mal auf DVD anschaute. Beruhigt habe ihn, dass man von einem "kollektiven Versagen" sprechen konnte, so Arnesen, der weiterhin von den Qualitäten seiner Mannschaft überzeugt sei: "Ich glaube an diesen Kader."

Eine echte Alternative zur Hoffnung, dass alles besser werde, hat Arnesen ohnehin nicht. Bis zum Mittwoch der nächsten Woche hätte er noch die theoretische Möglichkeit, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, praktisch aber nicht die finanziellen Mittel. "Einen großen Transfer" schloss der Zweite Vorsitzende des Vorstands folglich aus. Erst im Sommer soll der kreative Mittelfeldspieler kommen, den Trainer Fink doch schon in der Rückrunde so gut gebrauchen könnte. Würde man es nicht besser wissen, könnte man den wiederholten Wunsch nach einem zentralen Mittelfeldspieler, der dem HSV schon seit Jahren fehlt, fast als "Déjà-vu-Erlebnis" bezeichnen.