Wie schon zum Saisonauftakt wird der HSV von haushoch überlegenen Dortmundern vorgeführt. Die 1:5-Niederlage war bitter, aber verdient.

Hamburg. Viele der in Schwarz-gelb gekleideten Anhänger schwenkten kurz nach 17 Uhr weiße Taschentücher, was durchaus keine freundliche Geste des Abschieds war, sondern in Anlehnung an eine spanische Tradition namens "Pañolada" eine Form absoluter Missbilligung für den Gegner. Tausendfach erklang dazu von den Rängen "Einer geht noch, einer geht noch rein ..." Und ihre Ahnung trog nicht. Die BVB-Fans genossen den fünften Akt einer selten erlebten Demütigung für den HSV im Volkspark: In der 86. Minute konnte Jakub Blaszczykowski in den Strafraum spazieren und den Ball Richtung Elfmeterpunkt auf Robert Lewandowski passen, der nach einem Doppelpass mit Kevin Großkreutz frei vor Jaroslav Drobny stand und nur noch einschieben musste. Fehlte nur noch, dass die wie Statisten umkurvten Hamburger Beifall geklatscht hätten.

Dieses so bittere 0:5 erlebten längst nicht mehr alle HSV-Fans live mit. Sie wollten oder konnten sich nicht mehr die Vorführung anschauen, die an den Beginn dieser Saison erinnerte, als der HSV 1:3 in Dortmund und danach 0:5 in München unterging. Dass Paolo Guerrero drei Minuten später mit seinem Treffer zum 1:5 seine Serie von nun fünf Toren bei Heimspielen in Folge fortsetzte, interessierte niemanden mehr. Nach der höchsten Heimniederlage seit dem 4. Mai 1974 (0:5 gegen Bayern München) richtet sich der Blick erst mal wieder ganz nach unten.

+++ Thorsten Fink ist nun gefordert +++

+++ Einen Traum muss Aogo aufgeben +++

"Wir haben uns auseinandernehmen lassen", kommentierte Mladen Petric treffend das, was über den HSV in 90 Minuten niedergegangen war. "Dortmund war ganz einfach in allen Belangen besser." Erschreckend, wie der HSV vor dem deutschen Meister in Ehrfurcht erstarrte und wie eine Ansammlung von Lehrlingen erschien, die im Einführungsseminar praktischen Anschauungsunterricht vom deutschen Meister erhielt, was Laufintensität und Zweikämpfe (57 Prozent für den BVB!), vor allem aber taktische Disziplin und Ordnung betraf. Wer wissen will, wie eine nahezu optimale Raumaufteilung, schnelles Umschalten und ein effektives Pressing aussehen, sollte sich eine DVD dieser Partie besorgen.

+++ Die aktuelle Tabelle +++

Während beim HSV in den harmlosen Offensivbemühungen zumeist das Prinzip Zufall regierte, war beim BVB eine klare Spielidee zu erkennen. Guerrero und auch Trainer Thorsten Fink (siehe Interview Seite 22) erklärten den Klassenunterschied später vor allem damit, dass die HSV-Profis zu viel Respekt vor der Borussia hatten. Das mag sicher ein Punkt gewesen sein, allerdings leistete sich der HSV eine ähnlich hohe Fehlerquote wie zu Beginn der Saison. Dem 0:1 durch Kevin Großkreutz (16.) ging ein misslungener Abschlag von Jaroslav Drobny voraus, beim 0:2 durch Lewandowski war Dennis Aogo nur ein Spielball (37.), beim 0:3 von Blaszczykowski fing sich der HSV einen blitzschnellen Konter ein, nachdem Jeffrey Bruma den Ball leichtfertig verloren hatte (58.). Völlig unnötig auch, wie Dennis Diekmeier den Strafstoß vor dem 0:4 durch Blaszczykowski (76.) mit einem Foul an Leitner verschuldete.

Genau diese Fehler waren es, die sich auch durch die gesamte Hinrunde zogen, die aber von schwächeren Teams nicht so gnadenlos ausgenutzt wurden, wie es die Borussia gestern tat.

Trotz der Formstärke des Meisters darf deshalb nicht unerwähnt bleiben, dass sich gerade das zentrale Mittelfeld wieder als nicht tauglich für höhere Ansprüche erwies. Weder Tomas Rincon noch Gojko Kacar, der nur durch Fehlpässe auffiel, oder gar Robert Tesche konnten in Ansätzen die Dominanz des BVB im Mittelfeld eindämmen oder selbst für irgendeine geartete Struktur sorgen. Ein völlig überfordertes Talent wie Zhi Gin Lam durfte einem fast schon leidtun. Einziger (offensiver) Lichtblick im Hamburger Team war Dennis Aogo, der mit seinen vielen Flanken wenigstens ab und zu für Gefahr sorgte. So hatte Guerrero in der Minute nach dem 0:1 nach einer Hereingabe des deutschen Nationalspielers den direkten Ausgleich auf dem Kopf (17.). Doch auch Aogo konnte nicht verhindern, dass der HSV defensiv wie ein Hühnerhaufen wirkte. So gut wieder jeder Angriff der Dortmunder strahlte Gefahr aus.

Während die Dortmunder nach Punkten auf Tabellenführer FC Bayern aufschlossen, beträgt der Vorsprung des HSV auf Rang 16 nur zwei Punkte. Der Abstiegskampf hat den Klub fest im Griff. Wie zu befürchten war, stehen die Hanseaten nach nur einem (desaströsen) Spiel wieder unter Druck und müssen nun am kommenden Sonnabend bei Tabellennachbar Hertha (13. mit 20 Punkten) versuchen, einen drohenden Negativlauf zu stoppen.

Die Statistik

Hamburg: 1 Drobny - 2 Diekmeier, 5 Bruma, 4 Westermann, 6 Aogo - 8 Rincon, 44 Kacar (ab 46. Petric) - 38 Lam, 13 Tesche, 7 Jansen (ab 65. Sala) - 9 Guerrero. - Trainer: Fink

Dortmund : 20 Langerak - 26 Piszczek, 4 Subotic, 15 Hummels, 29 Schmelzer - 22 Sven Bender (ab 81. Gündogan), 5 Kehl (ab 73. Leitner) - 16 Blaszczykowski, 23 Kagawa (ab 81. Barrios), 19 Großkreutz - 9 Lewandowski. - Trainer: Klopp

Schiedsrichter : Wolfgang Stark (Ergolding)

Zuschauer: 57.000

Tore: 0:1 Großkreutz (16.), 0:2 Lewandowski (37.) , 0:3 Blaszczykowski (58.) , 0:4 Blaszczykowski (76./FE) , 0:5 Lewandowski (83.) , 1:5 Guerrero (86.)

Ballbesitz in %: 55,5 - 44,5

Torschüsse : 9 - 22

gew. Zweikämpfe in % : 43,3 - 56,7

Fouls: 19 - 9

Ecken : 8 - 5