Beim Hamburger SV ist endlich wieder eine klare taktische Ordnung zu erkennen. Die Spieler verstehen die Philosophie ihres Trainers.

Marbella/Hamburg. Über die Frage, was er zu Hause als Erstes nach dem achttägigen Trainingslager in Südspanien machen würde, musste Thorsten Fink einige Sekunden nachdenken. "Ihr stellt Fragen", antwortete der HSV-Trainer, rollte mit den Augen und kratzte sich kurz am Kopf, "ich habe nichts Spektakuläres geplant. Wahrscheinlich werde ich mit meiner Frau zu Abend essen und ein bisschen von den Tagen in Marbella erzählen." Zu berichten gebe es ja nur Positives, ergänzte Fink, der das Trainingslager kurz vor dem Rückflug gestern Morgen mit nur zwei Worten als "richtig gut" zusammenfasste.

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Nun ist es wahrlich nichts Neues, dass Trainer ihre eigene Vorbereitung ausnahmslos positiv bewerten. Das war so im vergangenen Sommer, als Finks Vorgänger Michael Oenning das "richtig gute Trainingslager" in Österreich lobte, und das war auch so im vergangenen Winter, als Vorvorgänger Armin Veh ähnliche Worte für die Tage im fernen Dubai wählte. Der Unterschied zum Sommer und letzten Winter ist in diesem Fall allerdings ein ganz entscheidender: Diesmal stimmt es.

"Uns wurde endlich eine nachvollziehbare Spielidee vermittelt, das war in den vergangenen Jahren nicht immer so", sagt Linksverteidiger Dennis Aogo, der bereits das Training von fünf verschiedenen HSV-Trainern genießen durfte. Erstmals seit langer Zeit würde nun jeder Spieler ganz genau wissen, welches Konzept der Trainer verfolge, wie die Laufwege seien und welche Aufgabe jeder Einzelne auszufüllen habe. "Mit Fink ziehen wir unser Ding durch. Endlich ist eine echte Spielphilosophie erkennbar", sagt Aogo.

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In Marbella ließ Fink seine Spieler in fast jeder Trainingseinheit die offensiven Laufwege einstudieren. Der frühere Baseler hat sich zum Ziel gemacht, das Unberechenbare des Spiels berechnend zu machen. So lässt er auf dem Papier ein klassisches 4-4-2-System mit einem defensiven (Tomas Rincon) und einem offensiven (Robert Tesche) Mittelfeldmann spielen. In der Praxis wird aus dem 4-4-2 aber je nach Spielsituation ein 3-5-2, ein 3-6-1 oder sogar ein 2-7-1. Ein Stürmer (Mladen Petric) soll sich beispielsweise ins Mittelfeld fallen lassen, während die beiden Außenverteidiger (Aogo und Dennis Diekmeier) aufrücken. So sollen Drei-, Vier- und sogar Fünfecke entstehen. Fink fordert von seinen Spielern, dass sie sich immer anbieten, dem Ball entgegenkommen, Überzahl schaffen. Dabei soll in der Offensivbewegung so viel wie möglich rotiert werden, damit das eigene Angriffsspiel variabel bleibt. Der linke (Marcell Jansen) und der rechte (Ivo Ilicevic) Flügelspieler sollen die Seiten tauschen, Aogo und Rincon die Positionen.

"Unser Offensivspiel gefällt mir schon ganz gut. Es wird besser und besser", lobt Fink, der lediglich einschränkt, dass noch zu wenig Tore aus den zahlreichen Torchancen fallen. In vier Testspielen in Marbella konnte seine Mannschaft insgesamt zehn Treffer erzielen, vergab dabei aber mindestens ein Dutzend Großchancen. "Die Statistiken sagen, dass wir uns vor dem Tor verbessern müssen. Aber durch die Rückkehr Mladen Petrics haben wir Torgefahr hinzugewonnen", sagt Fink.

Drei Monate nach seinem Dienstantritt will der Trainer bis zum Rückrundenstart gegen Dortmund nun die nächste Lernphase starten. "Jetzt gilt es, unsere Defensivarbeit zu verbessern", sagt Fink, der einen Schwerpunkt auf das Verhalten bei Standardsituationen legen will. "Wir haben es geschafft, dass sich unsere Gegner keine Tore mehr herausspielen können. Wenn wir ein Gegentor kassieren, dann nur nach individuellen Fehlern", sagt Aogo, dessen Worte ebenfalls durch Statistiken gestützt werden. So ließ der HSV unter Fink in den letzten fünf Spielen vor der Winterpause lediglich zwei Gegentreffer zu. Neben der Defensive will Fink auch an verschiedenen Spielsituationen arbeiten. Das Verhalten beim Einwurf für die Gegnermannschaft soll verbessert werden. "Es geht um viele Kleinigkeiten, die wir besser machen können", sagt Fink, der das Trainingslager auch für zahlreiche Einzelgespräche nutzte. Eines will der frühere Bayern-Profi auf keinen Fall ändern: Unabhängig vom Gegner soll sein Team dominant auftreten, sich ein Plus an Ballbesitz erarbeiten. Fink-Fußball bedeutet agieren statt reagieren. "Für mich sind die ersten drei Rückrundenspiele entscheidend", sagt Aogo, "wir müssen es schaffen, unser Spiel auch gegen Dortmund, in Berlin und gegen Bayern durchzuziehen."

Damit seine Spieler selbst aus den Fehlern der Tests gegen Lokeren, Brügge, Den Haag und Marbella lernen, hat sich Fink bei Videoanalyst Matthias Kreutzer einen Zusammenschnitt der wichtigsten Szenen erbeten. Kreutzer stellt vor jedem Bundesligaspiel eine DVD mit den Stärken und Schwächen der Gegner zusammen. "Ich muss ihm nicht lange sagen, was ich möchte. Er weiß genau, welche Szenen ich am besten gebrauchen kann", lobt Fink, der im letzen Test vor dem Rückrundenstart gegen Arminia Bielefeld am Sonnabend einen weiteren Lerneffekt seiner Spieler sehen will. Ob seine Idee von Fußball aufgeht, wird man erst nach dem 34. Spieltag wissen. Zweifel hat Fink keine.

Der HSV muss wegen Fehlverhaltens seiner Fans 9000 Euro Strafe zahlen. Das DFB-Sportgericht ahndete damit zwei Vorfälle aus der Hinrunde.