Die Doppeltorschützin verdrängt mit einer starken Leisteundg ihre etablierte Rivalin und rechnet auch mit einem Einsatz im WM-Viertelfinale.

Mönchengladbach. Am Tag danach klang das Lob fast rührend bemüht. "Sie hat mich von der Ersatzbank angefeuert, das fand ich total schön", strahlte Fatmire Bajramaj. Das Kompliment galt Birgit Prinz, der großen Verliererin eines großen Fußball-Abends, dem 4:2-Erfolg der deutschen Nationalmannschaft über Frankreich.

Fast ein Jahrzehnt gehörten Prinz und die Startelf fast unverrückbar zusammen. Bis zu jenem Dienstagabend in Mönchengladbach. Wobei die Rekordnationalspielerin (214 Einsätze) schon am Sonnabend von Bundestrainerin Silvia Neid erfahren hatte, dass sie würde weichen müssen. Gestern sprach Neid dann fünf Sätze, die purer Sprengstoff waren für das Denkmal der Birgit Prinz: "Ich habe sie gefragt, wie sie sich im Moment sieht. Ob sie mental überhaupt in der Lage wäre zu spielen. Da sagte sie: 'Nein, nicht von Anfang an.' Das zeigt, wie schlecht es der Birgit im Moment geht. Es hat ihr sehr viel besser getan, nicht zu spielen."

Wahrscheinlich wollte die Bundestrainerin Prinz nur in Schutz nehmen. Das Umfeld der Stürmerin hat Neids indiskrete Schilderung jedoch durchaus verwundert zur Kenntnis genommen. Denn wie, bitte schön, soll nach dieser jovialen Plauderei über Prinz' Gemütszustand noch eine Rückkehr in die Elf möglich sein? Oder ist eine solche etwa schon gar nicht mehr vorgesehen? Jene Spielerinnen, die gegen Frankreich spielten, hätten "von der ersten Minute an befreit" gewirkt, lautete Neids Analyse. Wovon aber sollten die Spielerinnen denn von Anbeginn an befreit wirken: Von der Last der selbst belasteten Sturmführerin Prinz etwa?

Die Offensive ohne Prinz jedenfalls, die fand Neid ausdrücklich "fantastisch", weil die zwei Frauen an vorderster Front, Celia Okoyino da Mbabi und Inka Grings, "hervorragend die Bälle gehalten" hätten: "So konnten wir nachrücken und uns Chancen erarbeiten." Jene Grings war denn auch die zweite im wohl keineswegs verabredeten Bunde, die der Prinz schadete. Erst spielte sie an ihrer Stelle, aber die 32-jährige Grings tat es ganz und gar nicht schwerfällig wie die ein Jahr ältere Rivalin. Sondern so, wie sie sich auch hernach mit Worten präsentierte: selbstbewusst, vor Kraft strotzend und mit dem "gesunden Egoismus, den eine Stürmerin auch braucht".

Symptomatisch die Situation vor dem Elfmeter: Die Minuten verrannen, weil die Französinnen nach dem Feldverweis für ihre Torhüterin umständlich eine Auswechslung vornahmen. Aber, sagte sie, "ich hätte noch eine Stunde da stehen und warten können, so sicher war ich mir, dass ich treffe".

+++ Kommentar: Die WM hat ihr Gesicht gefunden +++

Solche extrovertierten Aussagen sind typisch für Grings. Im deutschen Einheitsbrei des gleichgeschalteten "wir sind alle ein Team, und solange wir gewinnen, ist es total egal, wer spielt" verstößt sie mit ihrem unverhohlen ausgesprochenen Anspruchsdenken geradezu gegen diesen Kodex. Sie sagt, dass sie ja "auch betone, dass es ein Mannschaftssport ist". Und dass sie "die Birgit" nun alle gemeinsam aufzufangen hätten, so die denn eine solche Nähe und einen Zuspruch der Kolleginnen überhaupt zulasse. Aber Grings sagt eben auch, dass sie sich nun "als Mannschaft gefangen und gefunden" haben, "das tut uns allen ganz gut". Auf dem Weg zu dieser positiven Entwicklung habe sie "nicht in der Haut von Silvia" stecken wollen: "Dass der Kapitän auf die Bank muss, sieht man im Fußball - egal, ob bei den Männern oder Frauen - ganz selten." Aber aus sportlichen Gründen sei so zu entscheiden gewesen. Denn "wenn du eh nicht so gut drauf bist mental", sprach sie über Prinz, "kommt das eine zum anderen" - und so eben sie, Grings, zu der Chance, auf die sie gehofft hatte.

Als "legitim" verteidigt die Rheinländerin solches Streben, "ich war bis zur WM Stammspielerin, da möchte ich gern auch jetzt spielen". Die gegenteilige Entscheidung der Bundestrainerin habe sie hingenommen. "Aber ich glaube, dass ich mich jetzt fantastisch eingefügt habe." Und dass es schwierig wäre, wenn sie in der jetzigen Situation im Viertelfinale am Sonnabend in Wolfsburg gegen Japan zurück auf die Bank müsste. "Alles andere wäre gelogen."