Die deutsche Mannschaft hat gelernt, auch schlechte Spiele erfolgreich zu beenden – Simone Laudehr neuer „aggressive Leader“

Frankfurt am Main. Es schien fast, als hätte sich Mark van Bommel am Donnerstagabend im Bauch der Frankfurter WM-Arena in Simone Laudehr verwandelt oder zumindest ihr im unsichtbaren Zustand ein paar Worte souffliert. Die Mittelfeldspielerin der deutschen Nationalmannschaft stand nach dem mühevollen 1:0 gegen Nigeria frisch geduscht bei den Journalisten und sprach schwere Sätze ganz gelassen aus: „Es war heute wichtig, zu zeigen, dass wir auch dazwischenhauen können.“ Oder: „Wir wollten heute den Ball erkämpfen - egal wie.“ Und: „Das war ein Sieg des Willens.“

Vielleicht hatte sich Laudehr kurz vor der Begegnung mit den Journalisten einfach auch noch mal die besten Sprüche des früheren Bayern-Kapitäns über ihre mächtigen Kopfhörer, die ihr um den Hals baumelten, angehört. Die Torschützin zum befreienden 1:0 (52.) verkörperte an diesem Abend wie kaum eine Spielerin in der Mannschaft diesen „aggressive Leader“, wie der ehemalige Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld van Bommel einmal taufte. Sie war die Spielerin auf dem Rasen, die voranging und sich wehrte, präsent war. Sie lamentierte, schrie Mitspielerinnen an und wenn es sein musste auch die überforderte Schiedsrichterin Sung-Mi Cha aus Südkorea.

Gegen die Nigerianerinnen, die ein geordnetes Aufbauspiel der Deutschen mit allen erlaubten und meistens auch unerlaubten Mitteln verhindern wollte, fehlte Deutschland das überraschende Moment, die Raffinesse, der präzise letzte Pass. „Ihre Spielweise hatte eher etwas mit Ringkampf als mit Fußball tun“, hatte Annike Krahn erkannt.

Es war kein Spiel für Fußballästheten, das der Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid den vorzeitigen Viertelfinaleinzug bescherte. Es war stattdessen die Entdeckung der Hässlichkeit. Gefragt waren Spielertypen wie Innenverteidigerin Krahn, die selbst mal rustikal einsteigen können und den Ball in heiklen Situationen lieber auf die Tribüne hauen als mit einem gepflegten Pass zur Mitspielerin. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass die Wahl des Weltverbands FIFA zur Spielerin der Partie auf Annike Krahn fiel.

Die spielerische Leichtigkeit scheint der deutschen Mannschaft mit Beginn der Weltmeisterschaft im eigenen Land abhandengekommen zu sein. Aus welchen Gründen auch immer – die Spielerinnen sind ratlos und entgegnen bei der Suche nach Gründen meist mit dem gleichen Reflex: Sie zucken nur mit den Schultern. Die Begegnung gegen Nigeria hat dennoch bewiesen, dass der zweifache Weltmeister inzwischen die Fähigkeit besitzt, für die man den FC Bayern seit Jahrzehnten bewundert: Ein kaum funktionierendes Mannschaftsspiel mit einer einzigen gelungenen Aktion zu entscheiden.

Nach 180 WM-Minuten stellt sich jedoch gleichzeitig die Frage, ob die deutsche Mannschaft in diesem Turnier in der Lage sein wird, auch spielerische Akzente zu setzen. Simone Laudehr vom FCR Duisburg ist eine der wenigen Spielerinnen, die beides kann. Doch gegen Nigeria waren auch ihre Tricks lediglich für einen bisschen Szenenapplaus gut. Einmal vollführte sie auf Höhe des eigenen Strafraums ein schönes Tänzchen, bei dem sie sich, den Ball förmlich am Fuß klebend, um die eigene Achse drehte. Aber wozu?

Das dürfte sich auch die Bundestrainerin Silvia Neid gefragt haben, ihre Mannschaft hält ihr viel gelobtes Kurz- und Kombinationsspiel bisher gut versteckt. Neid hielt es gegen Nigeria kaum auf der Bank. Sie ging die Coaching Zone unruhig auf und ab, gestikulierte wild, schrie ihren Ärger über die dürftige Leistung immer wieder hinaus. „Wir sind im Viertelfinale“, sagte Neid, „das ist ganz schön. Aber ohne Glanz und Gloria.“

Mark van Bommel würde den Nachsatz nicht verstehen. Zwei Spiele, zwei dreckige Siege. Was will man mehr? Simone Laudehr hat es ähnlich gesehen. Sie ist ja auch der neue „aggressive Leader“ der deutschen Mannschaft, obwohl sie eigentlich eher Bastian Schweinsteiger zugetan ist.

Deutschland: Angerer - Bresonik, Krahn, Bartusiak, Peter - Kulig, Laudehr - Garefrekes, Prinz (52. Grings), Behringer (31. Popp) - da Mbabi (87. Bajramaj).

Nigeria: Dede - Ikidi, Ohale, Ebi, Ukaonu - Michael (70. Sunday), Chikwelu - Mbachu (85. Ordega), Orji (63. Aihewi) - Nkwocha - Oparanozie.

Tor: 1:0 Laudehr (54.). Schiedsrichterin: Cha Sung-Mi (Südkorea). Zuschauer: 48 817 (ausverkauft). Gelb: Kulig - Ohale.