Lars Bender war nach seinem Tor überglücklich, er heimste viel Lob ein. Im Viertelfinale wird er aber wohl wieder ins zweite Glied rücken.

Danzig/Lwiw. Der erste Gedanke galt dem Zwillingsbruder. Wem auch sonst. Und daher rief Lars Bender wie jeden Tag bei Sven an, diesmal, um sein ganzes Glück mit ihm zu teilen. Und Lars war sehr glücklich, „überglücklich“ sogar, wie er seinen zwölf Minuten jüngeren Bruder wissen ließ - und das ganz klassisch per Telefon. Denn von den neuen Medien wie Facebook oder Twitter hält der 23-Jährige nicht viel.

Dabei hätte es für Lars Bender einiges zu posten oder zu „zwitschern“ gegeben, nachdem er die deutsche Nationalmannschaft mit seinem Treffer zum 2:1 (1:1) gegen Dänemark (80.) ins Viertelfinale der EM geschossen hatte - bei seinem ersten Länderspieleinsatz von Beginn an. Sein Handy „explodierte“ vor Glückwünschen, auch Sven freute sich „riesig“. Aber das nun gleich ins Internet zu posaunen, entspricht nicht dem Naturell des zurückhaltenden jungen Mannes.

Doch seinen Stolz konnte der eloquente Profi von Bayer Leverkusen (Lars - Leverkusen, eine gute Eselsbrücke zur Unterscheidung) nicht verbergen, zumal er seine eigenen EM-Erwartungen schon übererfüllt sieht. „Das war ein Freudentag und eine Riesengeschichte für mich. An diesen Tag werde ich noch lange denken“, sagte der gebürtige Rosenheimer, wirkte dabei aber genauso wenig aufgeregt wie weitgehend auf dem Spielfeld: „Ich hatte ja auch nichts zu verlieren.“

Zwar war Bender anzumerken, dass Rechtsverteidiger nicht unbedingt seine Lieblingsposition ist - aber er zog sich sehr ordentlich aus der Affäre. Seinem Leverkusener Teamchef Sami Hyppiä schrieb er per SMS dennoch, „dass ich nur im Mittelfeld spiele. Was anderes kommt nicht infrage. Wenn Bedarf ist auf rechts, dann müssen sie einen verpflichten.“ Als er das erzählte, musste Lars Bender lachen.

Überhaupt hatte er ausgesprochen gute Laune, wie das eben ist nach so einem Premierentor. „Dass mir der Ball vorne vor die Füße rollt, ist Schicksal. Ich musste ihn reinmachen, sonst hätte ich 80 Meter wieder zurücklaufen müssen“, sagte er mit einem Schmunzeln.

Doch ganz so selbstverständlich war dieses Tor nicht, wie auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach anerkennend feststellte. „Riesenrespekt, Du hast hinten am eigenen Strafraum den Ball geholt, dann der Sprint über das ganze Feld und in der entscheidenden Sekunde warst Du da“, sagte er auf dem Rückflug von Lwiw nach Danzig vor versammelter Mannschaft.

Auch Joachim Löw war voll des Lobes über seinen Musterschüler. Lars, aber auch dessen Bruder Sven - der Dortmunder war in der Vorbereitung durchs Sieb gefallen - seien „Siegertypen, das habe ich schon in der Vorbereitung deutlich gespürt. Lars hat keine Angst vor dem Gegner.“ Auch keine Angst vor dem Konkurrenzkampf.

Aber große Ansprüche will er auch jetzt nicht stellen. Der Trainer wisse, „dass er auf mich setzen kann. Ich tue aber gut daran, kleine Brötchen zu backen. Das Team geht vor.“ Er meinte damit, dass er auch nicht murren wird, wenn er im Viertelfinale gegen Griechenland wieder ins zweite Glied zurück muss. Am Freitag ist der gegen die Dänen gesperrte Jerome Boateng wieder einsatzbereit. Man dürfe aber auch nicht vergessen, sagte Lars Bender ganz verschmitzt: „Ich habe ein Tor mehr als Jerome.“

Die deutschen Spieler in der Einzelkritik

Manuel Neuer: Hatte zunächst wenig Arbeit, war aber stets hochkonzentriert. Musste den ersten gefährlichen Ball passieren lassen, war beim 1:1 aber machtlos. Hatte das Glück des Tüchtigen, als Jakob Poulsen in der 51. Minute nur den Außenpfosten traf.

Lars Bender: Zahlte in seinem ersten Länderspiel reichlich Lehrgeld. Konnte die Nervosität in der für ihn ungewohnten Rolle nie ablegen. Über die Seite des Boateng-Vertreters ging die meiste Gefahr aus, hatte vor allem gegen Nicklas Bendter große Probleme. Wurde mit seinem ersten Länderspieltreffer in der 80. Minute aber noch zum Held des Abends.

Holger Badstuber: Nicht so souverän wie gegen Portugal und die Niederlande. Hatte gegen Bendter ebenfalls einige Male das Nachsehen. Zudem einige Schwächen im Aufbauspiel.

Mats Hummels: Erneut eine ordentlich Vorstellung in der Innenverteidigung. Klärte einige Male in höchster Not, die Abstimmung mit Badstuber kann aber noch besser werden.

Philipp Lahm: Stark verbessert gegenüber den ersten beiden Spielen. Ließ auf seiner Seite nichts anbrennen und schaltete sich immer wieder geschickt in das Offensivspiel ein.

Sami Khedira: Äußerst unauffällig ohne große Ausschläge nach oben oder unten. Vergab in der 41. Minute eine sehr gute Gelegenheit. Bei weitem nicht so präsent wie in den vorangegangenen beiden Spielen.

Bastian Schweinsteiger: Konnte nicht an seine starke Leistung gegen die Niederlande anknüpfen. Seine Pässe fanden selten einen Abnehmer. War um Ordnung bemüht, konnte dem Spiel aber nicht seinen Stempel aufdrücken.

Thomas Müller: Vergab in der 6. Minute eine Tausendprozentige. War am 1:0 beteiligt und mühte sich auch der rechten Seite, rieb sich aber zumeist in den Zweikämpfen auf. Sucht nach wie vor seine EM-Form.

Mesut Özil: Ließ immer mal wieder seine Genialität aufblitzen, der letzte Pass kam aber viel zu selten an. Wurde von der dänischen Defensive gut aus dem Spiel genommen. Leitete dann mit einem Geistesblitz das 2:1 ein. Kann dennoch deutlich mehr.

Lukas Podolski: Besser kann ein Jubiläum kaum verlaufen. Erzielte in seinem 100. Länderspiel mit seinem schwächeren rechten Fuß seinen 44. Treffer. Defensiv erneut sehr ordentlich, präsentierte er sich zunächst auch wieder in der Offensive von seiner besseren Seite. Fiel nach der Pause deutlich ab und wurde in der 64. Minute durch Andre Schürrle ersetzt.

Mario Gomez: Das gestiegene Selbstbewusstsein war bei jeder Aktion zu spüren. Bereitete das 1:0 per Hackentrick vor. Sah beim 1:1 allerdings gegen den viel kleineren Michael Krohn-Dehli nicht besonders gut aus. Vergab in der 33. Minute eine gute Möglichkeit. Machte in der 74. Minute für Miroslav Klose Platz.

Andre Schürrle: Kam in der 64. Minute für Podolski und hatte nur drei Minuten später das 2:1 auf dem Fuß. Sein Schuss war aber zu schwach, um Stephan Andersen zu bezwingen.

Miroslav Klose: Ersetzte ab der 74. Minute Mario Gomez, konnte sich aber nicht mehr großartig in Szene setzen.

Toni Kroos: Erneut nur ein Kurzeinsatz für den Münchner, der seine Situation beklagt hatte. Konnte keine Eigenwerbung mehr betreiben.

Statistik

Dänemark: Andersen/FC Evian TG (30 Jahre/13 Länderspiele) - Jacobsen/FC Kopenhagen (32/53), Kjaer/AS Rom (23/27), Agger/FC Liverpool (27/49), Simon Poulsen/AZ Alkmaar (27/21) - Kvist/VfB Stuttgart (27/31) - Eriksen/Ajax Amsterdam (20/26), Jakob Poulsen/FC Midtjylland (28/24) ab 82. Mikkelsen/FC Nordsjaelland (25/6), Zimling/FC Brügge (27/14) ab 79. Christian Poulsen/FC Evian TG (32/92), Krohn-Dehli/Bröndby IF (29/24), Bendtner/FC Sunderland (24/51). - Trainer: Olsen

Deutschland: Neuer/Bayern München (26/29) - Bender/Bayer Leverkusen (23/9), Hummels/Borussia Dortmund (23/17), Badstuber/Bayern München (23/23), Lahm/Bayern München (28/89) - Khedira/Real Madrid (25/30), Schweinsteiger/Bayern München (27/93) - Müller/Bayern München (22/30) ab 84. Kroos/Bayern München (22/29), Özil/Real Madrid (23/36), Podolski/1. FC Köln (27/100) ab 64. Schürrle/Bayer Leverkusen (21/15) - Gomez/Bayern München (26/55) ab 74. Klose/Lazio Rom (34/119). - Trainer: Löw

Schiedsrichter: Carlos Velasco Carballo (Spanien)

Tore: 0:1 Podolski (19.), 1:1 Krohn-Dehli (24.), 1:2 Bender (80.)

Zuschauer: 32.990

Gelbe Karten: -

Torschüsse: 10:13

Ecken: 5:3

Ballbesitz: 41:59