Jubelfeiern bis in die Morgenstunde - Politprominenz bejubelt erfolgreichen Auftakt des EM-Gastgebers

Kiew. Der umstrittene Staatschef Viktor Janukowitsch führte wilde Freudentänze in der luxuriösen Präsidenten-Loge auf und die ukrainischen Fans feierten ausgelassen bis in die Morgenstunden auf den Straßen der Hauptstadt Kiew. Als Stürmerstar Andrej Schewtschenko dem Gastgeber einen märchenhaften Start in das Turnier beschert hatte, war das von politischen Grabenkämpfen so zerrissene Land für eine Nacht vereint. „Schewa-a-a-a-a-a-a! Ukraina-a-a! Was wie ein Traum schien, ist Realität geworden“, titelte die Zeitung „Segodna“ am Dienstag und brachte die Stimmung im Lande auf den Punkt.

Bis 5.00 Uhr in der Früh waren die „Ukraina, Ukraina“-Rufe in Kiew noch zu hören. Zuvor hatte es nach dem Spiel Autokorsos und wilde Hupkonzerte gegeben. Eine Stadt, eingefärbt in den Nationalfarben blau und gelb. Mittelpunkt der Feierlichkeiten war die Fanmeile auf der Prachtstraße Kretschatik in Kiew. Als um 23.39 Uhr Ortszeit der Schlusspfiff ertönte, schallte ein Jubelschrei aus 45.000 Kehlen durch die Straßen. In Lwiw hatten sich immerhin noch 25.000 Fans auf der Fanmeile eingefunden.

Die rauschende Partynacht ging dabei friedlich über die Bühne, Ausschreitungen soll es keine gegeben haben. Dafür hatte allein schon ein riesiges Polizeiaufgebot gesorgt. Tausende Sicherheitskräfte hatten rund um das Olympiastadion alles abgeriegelt. Das bekamen auch die Anhänger der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko zu spüren. Eine Kundgebung auf dem Vorplatz hatten sie geplant. Die Oppositionellen wurden wurde von Soldaten umzingelt und abgedrängt. Laut der Nachrichtenagentur UNIAN sollen 20 Personen festgenommen worden sein. Zuvor hatten die Timoschenko-Aktivisten bereits am Fuße der Fan-Zone T-Shirts mit der Aufschrift „Free Yulia!“ verteilt.

Seit Wochen überlagert das Thema die EM in der Ukraine. Timoschenko wurde im Oktober 2011 zu einer siebenjährigen Haftstrafe wegen Machtmissbrauchs während ihrer Zeit als Regierungschefin verurteilt. Sie befindet sich im Gefängniskrankenhaus von Charkiw. In den edlen Logen des Olympiastadions prostete sich dagegen die geballte Politprominenz des Landes zu, von Präsident Janukowitsch über Premierminister Nikolai Asarow bis hin zum Vize Boris Kolesnikow. Sogar Ex-Präsident Viktor Juschtschenko, der 2004 nur knapp einem bislang nie aufgeklärten Dioxinanschlag entkommen war, weilte auf der Ehrentribüne.

Doch auf werbewirksame Bilder mit den ausländischen Amtskollegen mussten sie größtenteils verzichten. Auch Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hatte wie schon zuvor Bundeskanzlerin Merkel, der britische Premier David Cameron oder Frankreichs neuer Staatschef Francois Hollande auf einen Besuch in der Ukraine verzichtet.

Als Machtinstrument dient die EM den Oberen trotzdem. Erst recht im Erfolgsfall. Und so ließ es sich Janukowitsch nicht nehmen, den Helden des Abends zu gratulieren. „Der Präsident der Ukraine, Viktor Janukowitsch gratuliert der Fußballnationalmannschaft zu diesem großen und wichtigen Sieg. Wir alle haben ein großartiges Spiel gesehen“, war auf seiner Internetseite zu lesen.

Ob ihm das für die Parlamentswahlen im Oktober dieses Jahres hilft, bleibt fraglich. Wolodimir Fesenko, Direktor des Penta Zentrums für politische Studien in Kiew, einer der renommiertesten und unabhängigen Experten für Politikwissenschaften in der Ukraine, glaubt nicht, dass die EM einen Bonus für die ukrainische Regierung oder die Opposition bringen wird. „Der Jubel wird sehr bald verflogen sein. Ich schätze, die Leute werden schnell zum Alltag zurückkehren – gezwungenermaßen. Das Leben in der Ukraine ist leider keine Fußballparty“, sagte Fesenko dem Online-Magazin „Glawred“.