Deutschland ist bereit für die Titelmission. Die Fanmeile in Berlin erwartet eine Million Besucher, in Hamburg wird auf dem Heiligengeistfeld gefeiert.

Hamburg. Seit Montag hat die verkehrsgeplagte deutsche Hauptstadt schon wieder eine neue Straßensperre. Abgeriegelt ist eine wichtige Verkehrsader, auf etwa zweieinhalb Kilometern, in Berlin Mitte, direkt vor dem Brandenburger Tor. Doch der Zorn der Berliner, zumindest der Fußballfans, hält sich in diesem Fall wohl in Grenzen. Immerhin hat der stockende Verkehr auf der Straße des 17. Juni einen besonderen Grund: Die wohl bekannteste Fanmeile der Welt ist zurück.

Die Hauptstadt rüstet sich für das große EM-Fest - und mit ihr eine ganze Nation. Wegen vieler Parallelveranstaltungen war der Aufbau der Fanmeile lange Zeit nicht einmal sicher. „Aber die Berliner wollten sie unbedingt. Dann war es für uns trotz der kurzen Vorbereitungszeit keine Frage, dass wir sie aufbauen“, sagte Merryn Scholz aus der Projektleitung des Veranstalters.

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In der Tat ist eine EM ohne Feiermeile in Berlin inzwischen unvorstellbar. Seit der Heim-WM 2006 genießt sie fast Legendenstatus. Geschätzt bis zu eine Million Menschen, wohlgemerkt pro Tag, sorgten für eine schwarz-rot-goldene Partyzone. Hoffen, zittern, jubeln, trinken - mit teils wildfremden Menschen und alles fernab des eigenen Wohnzimmers. Das Public Viewing wurde salonfähig. So sehr, dass die Hüter der deutschen Sprache das Wort „Rudelgucken“ im vergangenen Jahr in den Duden aufnahmen.

Auf vier Leinwänden werden in Berlin alle deutschen Spiele sowie beide Halbfinals und das Endspiel gezeigt. „Der abgesperrte Bereich ist für 300.000 Fans geeignet. Insgesamt rechnen wir mit 2,5 Millionen Besuchern“, sagt Scholz. Die Sperre der Straße des 17. Juni dauert übrigens bis Mitte Juli, weil dort nach dem Endspiel der EM am 1. Juli noch Veranstaltungen im Rahmen der Fashion Week stattfinden.

Aber nicht nur in der Hauptstadt machen die Veranstalter mobil fürs „Rudelgucken“. Auch hier in Hamburg wirbt man mit dem „größten Public Viewing Event deutschlandweit, das alle Partien bis zum Finale zeigen wird“. Natürlich mal wieder auf dem Heiligengeistfeld auf St. Pauli mit bis zu 500.000 Menschen während des Turniers.

In Köln öffnet die Lanxess-Arena inklusive des Vorplatzes die Pforten für die erhofften 200.000 Fans im EM-Verlauf. In Nürnberg hat sich die Wöhrder Wiese nahe der Innenstadt bewährt, erwartet werden dort etwa 300.000 Besucher insgesamt.

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„Der Komfort des Guckens ist zu Hause um ein Vielfaches höher. Aber den Menschen geht es mehr um das intensive emotionale Erlebnis des gemeinsamen Torjubels, der gemeinsamen Trauer“, sagte Gunter A. Pilz. Der Fanforscher aus Hannover ist überzeugt davon, dass sich bei gutem Wetter und einem erfolgreichen deutschen Abschneiden die Besucherzahlen von 2006 wiederholen werden, „zumal viele Fans wegen der Probleme nicht nach Polen oder in die Ukraine reisen werden.“

Ein Highlight vergangener Public-Viewing-Tage bleibt den Fans in diesem Jahr verwehrt. In Frankfurt müssen die Feierwütigen von der Straße in Kneipen oder das Stadion der Eintracht ausweichen. Die „Main-Arena“, bei der 2006 eine zweiseitige Leinwand auf dem Main verankert worden war, wird es aus Kostengründen nicht geben.

Dass es beim Public Viewing im Stadion aber ebenso stimmungsvoll zugehen kann wie auf der Straße, hat nicht zuletzt das diesjährige Finale der Champions League bewiesen. Das Münchner Olympiastadion, in dem es ab Sonnabend bei deutschen Spielen wieder das gemeinsame Fußball-Erlebnis geben wird, war am 19. Mai mit 65.000 Zuschauern ausverkauft, diesmal werden zunächst nur 35.000 Karten zum Preis von vier Euro verkauft - bei Bedarf wird aufgestockt.

Einen Vorteil haben die Stadien ohnehin: Die meisten Plätze sind überdacht. So kann auch der mitunter launische deutsche Sommer die Fußballparty nicht verderben. (sid/HA)