Nach zweieinhalb Jahren Pause darf sich Linksverteidiger Marcell Jansen über sein Comeback im Nationalteam freuen. Für den HSV ist das aber auch eine schlechte Nachricht.

Herzogenaurach. Etwas überrascht war Thorsten Fink schon, als sein Mobiltelefon bereits am frühen Sonntagmorgen gar nicht mehr aufhören wollte zu klingeln. Da am anderen Ende der Leitung aber zunächst kein geringer als Bundestrainer Joachim Löw und wenig später dessen Assistent Hansi Flick warteten, war es ein Gebot der Höflichkeit, das gemütliche Sonntagsfrühstück zu unterbrechen. Und die Nationaltrainer hatten eine gute und eine schlechte Nachricht, die sie dem HSV-Coach persönlich am Telefon mitteilen wollten. Die schlechte Nachricht: Die durch die Länderspielwoche auf gerade mal sechs HSV-Profis geschrumpfte Trainingsgruppe wird in den kommenden Tagen um einen weiteren Spieler reduziert. Die gute Nachricht: Statt beim HSV darf der am Sonntag von Löw nachnominierte Marcell Jansen vorerst bei der Nationalmannschaft mittrainieren. "Für Marcell freue ich mich sehr. Er hat es sich durch sehr gute Leistungen bei uns verdient", sagte Fink nach seinem Gespräch mit Löw, "das ist ja auch eine Form der Anerkennung."

Jansen, der erst nach dem Nachmittagstraining der Nationalmannschaft im Herzo-Base Ramada Hotel in Herzogenaurach eintraf, hatte auf diese Form der Anerkennung lange warten müssen. Immerhin mehr als zweieinhalb Jahre ist es her, dass sich der Hamburger zuletzt über eine Nominierung des Bundestrainers freuen durfte. Am 3. September 2010, beim EM-Qualifikationsspiel in Belgien, spielte der Linksverteidiger zuletzt für Deutschland. Jansen durfte sich zwar über einen 1:0-Auswärtssieg freuen, wurde nach schwacher Leistung aber ausgerechnet gegen Heiko Westermann zur Pause ausgewechselt. Dass es sein vorerst letztes von bisher 36 Länderspielen sein würde, konnte der gebürtige Gladbacher damals aber noch nicht wissen.

"Für mich ist es eine große Freude, nach so langer Zeit wieder dabei zu sein", sagte der zweifache WM-Teilnehmer am Sonntag, ehe er am späten Nachmittag den Flieger nach Nürnberg nahm, "seit langer Zeit bin ich fit, das ist das Wichtigste für mein Spiel."

Anders als früher konnte Jansen in dieser Saison tatsächlich in 22 von 26 Bundesligaspielen für den HSV auflaufen, hat dabei seine gesundheitlichen Dauerprobleme weitgehend in den Griff bekommen. Auch die Grippe, die ihn in der vergangenen Woche zu schaffen machte, hat Jansen überstanden. Mindestens genauso wichtig dürfte für den 27-Jährigen allerdings seine gewünschte Versetzung aus dem linken Mittelfeld auf die Position des Linksverteidigers zu Beginn der Saison gewesen sein. "Ich fühle mich sehr wohl in der Viererkette, daraus habe ich auch nie ein Geheimnis gemacht", sagte Jansen, der kurioserweise Nationalmannschaftsmitbewerber Dennis Aogo sowohl beim HSV als nun auch beim DFB hinten links verdrängen konnte. "Auch Dennis konnte auf seiner neuen Position im linken Mittelfeld überzeugen, vielleicht bekommt er ja auch bald seine Chance auf eine Rückkehr in die Nationalmannschaft", sagte Fink, der sich mit René Adler, Westermann, Jansen und eben Aogo dann erstmals seit der WM 2010 wieder über vier deutsche HSV-Nationalspieler freuen dürfte.

Im Lager der Nationalmannschaft, das machte DFB-Manager Oliver Bierhoff am Sonntag in Herzogenaurach sehr deutlich, scheint die Anerkennung für Jansen auch nach zweieinhalb Jahren Pause nicht gelitten zu haben. "Wir kennen Marcell ja sehr gut. Er hat eine starke Phase in Hamburg, das wurde uns sowohl von René Adler als auch von Thorsten Fink bestätigt", sagte Bierhoff, "auf der linken Seite ist er eine Alternative zu Marcel Schmelzer. Und charakterlich ist er sowieso ein guter Junge, der keine Probleme haben wird, sich bei uns wieder einzufinden."

So überraschend Jansens Nachnominierung für den einen oder anderen kam, so wenig überrascht dürfte der Betroffene selbst gewesen sein. Bereits kurz vor dem letzten Länderspiel gegen Frankreich (2:1) Anfang Februar hatte Jansen seine Ambitionen auch öffentlich unterstrichen. "Die Rückkehr in die Nationalmannschaft ist mein Anspruch, mein Ehrgeiz, mein Ziel", hatte der Hamburger kurz nach dem Rückrundenstart gesagt, "aber ich bin entspannt. Wenn es nach Leistung geht, bin ich bald wieder dabei." Und wie. Dabei soll seine kurzfristige Nachnominierung keinesfalls zu einem einmaligen Ausrutscher werden. Bereits vor der Weltmeisterschaft in Südafrika hatte Jansen, damals gemeinsam mit Jerome Boateng, auf eigene Kosten ein Fitnesstraining bei Spezialist Mark Verstegen in Arizona gebucht, um seinen Traum von seiner zweiten WM-Teilnahme zu realisieren. Und wie heißt es doch so schön vor der Weltmeisterschaft in Brasilien: Alle guten Dinge sind immer noch drei.