Sportlich ist Kasachstan weiterhin kein bedrohlicher Gegner. Trotzdem muss Löw die Konzentration hochhalten. Er reagierte mit der Nachnominierung von Jansen und Herrmann. Gomez-Einsatz weiter offen.

Herzogenaurach. Für ein paar Stunden ließen Mesut Özil und seine müden Kollegen einfach mal die Beine baumeln. Massage, Pool und ein Nickerchen, so wurden die Strapazen der Kasachstan-Reise vertrieben. Dann beendete Joachim Löw den Hauch von Wellness-Oase im Quartier der Fußball-Nationalmannschaft. Der Bundestrainer kennt vor dem zweiten WM-Qualifikationsspiel innerhalb von vier Tagen gegen den großen Außenseiter den größten Gegner genau: Den Schlendrian!

Mit größter Sorgfalt will Löw auch die zweite Partie gegen den großen Außenseiter am Dienstag (20.45 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de) in Nürnberg angehen und nominierte angesichts der angespannten Personallage zur Sicherheit Rückkehrer Marcell Jansen und Neuling Patrick Herrmann nach. „Man kann einiges in der Not gestalten, aber wir wollen kein Risiko eingehen. Wir nehmen den Gegner weiter ernst, das zeigen auch die Nachnominierungen“, sagte DFB-Teammanager Oliver Bierhoff am Sonntag in Herzogenaurach.

Der Hamburger Jansen, der letztmals im September 2010 für Deutschland spielte, wurde noch am Sonntag im DFB-Quartier erwartet. „Marcell hat eine starke Phase gehabt. Er ist noch eine Alternative zu Marcel Schmelzer, der in Dortmund viele Spiele gemacht hat“, sagte Bierhoff. Herrmann soll nach seinem Einsatz für die U 21 in Israel am Montag anreisen. „Ich konnte es zuerst gar nicht glauben. Die Nominierung kam für mich total unerwartet. Umso schöner ist es, jetzt erstmals dabei zu sein“, sagte der 22-Jährige.

Seinen Kader stockt Löw somit auf 21 Akteure auf, da weiter unklar ist, ob Mario Gomez (Oberschenkelzerrung) und Benedikt Höwedes (Muskelverhärtung) fit werden. Für Löw geht es im zweiten Anlauf gegen Kasachstan vor allem darum, die Konzentration hochzuhalten. „Es ist schon ein bisschen ungewöhnlich, zweimal in kurzer Zeit gegen den gleichen Gegner zu spielen. Wenn man auswärts gewinnt, besteht natürlich die Gefahr, dass das im Unterbewusstsein ist“, mahnte Löw zu voller Konzentration.

„Wir werden nie ohne eine Nummer neun spielen“

Schnell kehrte der Chefcoach nach einer kurzen Verschnaufpause selbst wieder zu seiner Tagesordnung zurück und musste sich dabei schon wieder der gleichen Frage stellen. Auch nach dem souveränen 3:0-Erfolg beim stürmerlosen Mitternachtsball von Astana bewegt die Angriffsfrage die Fußball-Nation mit fast schon philosophischen Zügen. Die Oberschenkelzerrung von Gomez hatte den Bundestrainer in Kasachstan aus der Bredouille gebracht. Zum Rückspiel aber könnte Gomez fit sein, und Löw muss sich dann neu erklären. „Wir werden nie ohne eine Nummer neun spielen. Wir brauchen einen Stürmer, der im Zentrum permanent auf Höhe der Innenverteidigung spielt“, postulierte Löw nochmals sein Stürmer-Prinzip.

Unabhängig von Gomez gibt es im Teil II der Kasachstan-Mission eigentlich keine Gründe, die Wuselsturm-Taktik mit Mario Götze zu ändern. Die Tore der klassischen Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller sowie des verkappten Neuners Götze rechtfertigten die Systemumstellung. In Marco Reus – am Freitag noch gesperrt – kehrt zudem ein weiterer Idealtyp der neuen Offensiv-Denke ins Team zurück. Herrmann gehört auch zur neuen Stürmer-Spezies. „Ich habe kein Problem mit dieser Position. Wir haben eine weitere Variante zum anderen System, das macht uns unberechenbarer“, sagte Götze, der besonders in der ersten Spielhälfte als spielender Stürmer überzeugt hatte.

Löw appelliert an „Einstellung und Seriosität“

Löw richtete den Fokus weg von der Stürmerdebatte auf ein drohendes Motivationsproblem: „Wir müssen die Spieler daran erinnern, dass wir zu Hause spielen und dass wir nur dann gewinnen, wenn Einstellung und Seriosität vorhanden sind“, sagte Löw vor der Partie im ausverkauften Nürnberger Fußballstadion.

„Wir haben den Zeitunterschied gut weggesteckt“, berichtete Müller von den erfolgreichen Regenerationsmaßnahmen. Torhüter Manuel Neuer brachte die Ausgangslage simpel auf den Punkt: „Wir starten wieder bei 0:0.“ Für Löw wirkten manche Ereignisse des Kicks auf Kunstrasen doch noch nach. Zum Leidwesen des Bundestrainers wurden eben nicht nur die fest eingeplanten drei Punkte für Brasilien 2014 mitgebracht, sondern neben der Schweinsteiger-Sperre auch Wehwehchen.

Sven Bender „wieder auf dem Dampfer“

Schon am Samstag traf deshalb der von einer Grippe genesene Ersatzmann Sven Bender im Teamhotel in Herzogenaurach ein. „Ich bin wieder auf dem Dampfer“, teilte der Dortmunder mit. Erster Schweinsteiger-Ersatz dürfte aber Ilkay Gündogan in seiner ehemaligen Nürnberger Heimat sein. „Natürlich würde ich mich freuen, wenn ich spielen dürfte“, sagte der Dortmunder.

Für Mediziner und Physiotherapeuten gab es am Wochenende keine Pause. Bei Julian Draxler wurde nach dem heftigen Zusammenprall mit Gegenspieler Mark Gorman eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Der

19-Jährige vom FC Schalke 04 reiste nach Hause. Neben Gomez musste auch Schalke-Kapitän Höwedes wegen einer Muskelverhärtung behandelt werden. Der harte Kunstrasen sorgte laut Teammanager Oliver Bierhoff „bei einigen Spielern“ für schwere Beine. „Die Füße merkt man“, berichtete Kapitän Philipp Lahm.